Das Durchdenken der Dinge

Kennt ihr das, wenn man etwas, worüber man sich eigentlich gefreut hat, so lange über- und durchdenkt, in seine Einzelteile zerlegt, wieder und wieder durchgeht, bis man hauptsächlich negative (angebliche) Tatsachen daraus zieht?
Genau das ist mir gestern passiert.

Ich hatte vor zwei Wochen mein jährliches Kontroll-MRT. Da ich ja seit mehr als 16 Monaten keinen Schub hatte und mich im Moment so gut fühle wie seit Ewigkeiten nicht mehr, bin ich mit einem guten Gefühl zur Auswertung bei Kali gegangen.

(Kurze Zwischeninformation: Da es in jüngster Vergangenheit also nichts zu berichten gab, ist es hier allgemein etwas ruhiger um mich geworden. Ich habe lediglich seit zwei Wochen ein komisches Gefühl mit Kribbeln in meiner rechten Gesichtshälfte – wollte mir aber nicht eingestehen, dass das etwas mit der Bratwurst zu tun haben könnte.)

Hier nun also das Ergebnis des gestrigen Gespräches, bei dem ich mir mal wieder bewusst darüber wurde, mit welcher Hingabe, Geduld, Verständnis und Warmherzigkeit mir meine Ärztin entgegentritt:

Was Kali sagte:

,,Also ich habe wirklich lange über die Ergebnisse Ihres MRTs nachgedacht, um mir wirklich sicher zu sein, was wir heute besprechen wollen. Es ist ein neuer Herd dazugekommen, welcher an einer strategisch nicht ganz so optimalen Position sitzt – genau an der gleichen Stelle wie ihr erster Herd damals, mit dem Sie vor gut zwei Jahren zu mir kamen, nur diesmal auf der anderen Seite. Gangstörungen oder Doppelbilder hatten Sie nicht? Gut, diese Gefühlsstörungen im Gesicht kommen aber von dem neuen Herd, da dies ja nun das erste Mal etwas auf der rechten Seite ist. Aber das würde ich jetzt nicht als Grund genug sehen, Ihnen jetzt Kortison zu geben. Die anderen Entzündungen sind alle gleich geblieben. Ich habe überlegt, wie wir weitermachen wollen aber ich sehe ja, dass Sie mit Tecfidera zufrieden sind und es Ihnen allgemein gut geht – Sie sind arbeitstauglich, aktiv, positiv, hatten seit mehr als einem Jahr keinen Schub, Ihre Blutwerte sind gut, PML wurde auch nicht festgestellt und unsere einzige Möglichkeit der Veränderung der Medikation wäre Lemtrada. Wenn ich allerdings daran denke, wie Sie hier vor zwei Jahren auftauchten, kaum gehen und sehen konnten und dass Sie jetzt innerhalb von diesen zwei Jahren lediglich einen neuen Herd haben, würde ich erstmal alles so belassen, wie es jetzt ist. Hätten Sie jetzt laufend Schübe oder es wären fünf neue Herde dazugekommen, würde ich ganz anders mit Ihnen reden. Ich würde sagen, dass wir es bei den jährlichen MRT-Kontrollen belassen und Sie aber bitte sofort auf der Matte stehen, falls Sie denken, etwas negatives festzustellen.“

Was ich beim späteren Überdenken daraus machte:

,,Also ich musste wirklich lange über Ihre Ergebnisse nachdenken, da ich nicht weiß, was man hier noch raten kann. Es ist zwar nur ein neuer Herd dazugekommen aber ein Herd ist schließlich mehr als keiner – und das war doch unsere Erwartung, oder nicht? Und wenn Sie jetzt noch diese Gefühlsstörungen haben, dann zeigt das deutlich, dass Sie gerade einen Schub haben. Da ich aber in Ihrem Gesicht sehe, dass Sie keinen Bock auf Kortison haben, bin ich mal so lieb und gebe Ihnen mal keins und wir schauen, was daraus wird. Lemtrada wäre eigentlich echt die bessere Alternative aber auch hier gehe ich nach Ihren Wünschen und wir lassen es darauf ankommen. Ich bin wirklich traurig, dass jetzt auch noch Ihre rechte Seite betroffen ist – die, die eigentlich immer die gute Seele Ihres Körpers war. Aber die MS ist nun mal unberechenbar. Wir warten jetzt einfach ab, was kommt und drücken die Daumen, dass nichts passiert.“

Wahrscheinlich war das, was ich aus dem Gespräch konstruiert habe, lediglich das, was ein einstündiger Spaziergang, den man alleine mit Musik auf den Ohren (komisch, dass man selbst aus der besten Gute-Laune-Musik etwas Trauriges lesen kann, wenn man in der Stimmung dazu ist (und es natürlich gerade dann anfängt zu regnen)) aus solchen eigentlich positiven Nachrichten macht.

Quintessenz des Ganzen: Mein MRT war soweit okay, der Herd ist auch nicht gerade groß, bis auf ein Kribbeln am rechten Auge und Mundwinkel geht es mir echt gut und ich denke zurzeit sehr wenig an die MS!

Mein Tipp an euch: Wenn ihr positive Nachrichten mit einem miniwinzigen Anteil an Negativität bekommt, geht NICHT eine Stunde alleine spazieren!

PS: Alles Gute zum Geburtstag der besten Frau der Welt. Ich liebe dich, Mama.

Hiob ist definitiv zu überambitioniert

Ich denke zumindest, dass er endlich mal aufhören könnte, mit schlechten Nachrichten um sich zu werfen..

Ich habe heute morgen gegen 8 Uhr eine E-Mail von Kali bekommen, dass ich sofort in die Praxis kommen sollen auf Grund meiner Beschwerden. Gesagt, getan. Punkt 9 saß ich gestriegelt und auf’s Schlimmste gefasst in ihrer Praxis.

Ich bin lernfähig! Ich habe mir heute morgen im Stress gleich noch ein Buch mitgenommen, um bei der Kortison-Infusion dieses Mal etwas zu tun zu haben.

Ich wurde nach einigem Warten in das erste Untersuchungszimmer gerufen, musst meine Haare aufmachen (was sichtlich schlecht funktioniert, wenn eine Hand nur noch krampft und man sie nicht kontrollieren kann) und letztendlich mussten wir meinen Haargummi zerschneiden, da ich es so verwüstet hatte, dass es anders nicht mehr ging.
Ich bekam wieder Elektroden auf den Kopf geklebt und es wurden Stromimpulse an meine Fußknöchel gegeben – das kannte ich ja bereits durch die Reha. SEP wird diese wunderschöne Methode genannt.

Danach ging es zu Kali ins Zimmer, welche mal wieder meine Reflexe testete, mich laufen lies (trotz aller Mühe hatte sie heute leider kein Foto für mich) und dann sagte, dass das nicht reicht, um zu wissen, wieso ich krampfe und sie einen weiteren Test machen muss.
Ob es nun EEP oder EEG hieß, habe ich nicht so recht verstanden, jedoch wurde mir eine Gummihaube mit Löchern aufgesetzt, durch die Elektroden auf meinen Kopf angeschlossen wurden (ich hasse diese besch***ene Klebecreme, die noch nach 1000 Malen waschen in den Haaren klebt!) und dann musste ich nur 20 Minuten dasitzen und meine Gehirnströme wurden gemessen.

Ich war kurz davor, die Schwester zu bitten, ein Foto von mir zu machen, da ich sicherlich sehr lächerlich aussah und euch das zeigen wollte; letztendlich habe ich es doch gelassen. Ich nenne diese Methode ab jetzt lieblich Elektrischer Stuhl.

Nach weiterem Warten durfte ich wieder zu Kali, deren Anwesenheit anscheinend beruhigend auf meinen spastischen Arm wirkte, da ich während der 2 1/2 h in ihrer Praxis keinen Krampf hatte. Quintessenz: Eine gute und eine schlechte Nachricht.

Die Gute: Es ist KEIN Schub!!!!!!

Die Schlechte: Es ist Epilepsie.

Tja, ihr hätte nicht gedacht, dass ich euch noch überraschen kann, nachdem ihr schon so viel von mir wisst. Aber doch, mein Körper ist immer für eine Überraschung gut.

Von den 200 MS-Erkrankten, die Kali behandelt, haben 4 davon (mit mir jetzt 5) diese Symptome. Eine Art der Epilepsie, die anscheinend durch einen Herd ausgelöst wurde, der nahe an meiner rechten Hirnrinde sitzt und durch den Wetterumschwung geweckt wurde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das passiert wäre.

Aber keine Sorge, es sei besser als ein Schub, da das bedeutet, dass keine neuen Herde dazugekommen sind und sich diese epileptische Anfälle durch Medikamente gut behandeln lassen. Weiterhin muss ich zusätzlich Vitamin B6 nehmen, da sich die neuen Tabletten negativ auf die Psyche auswirken können und dem so entgegengewirkt wird. Yeeey, das heißt:

Morgens: 1 x Tec, 1 x Epilepsiehemmer, 1 x B6

Abends: 1 x Tec, 1 x Epilepsiehemmer

Und 3 mal wöchentlich mittags noch Vitamin D3. Ich fühle mich wie eine alte Omi, die sich mit Medikamenten vollstopfen müssen. Aber so ist es nun, ich weiß, was los ist und es kann behandelt werden.

Ich hab die Praxis mit einem riesigen Lächeln verlassen. Auch, wenn jetzt der nächste Mist dazugekommen ist und mein wunderschöner Dutt vom Morgen sich in ein Vogelnest voller Elektrodenkleber verwandelt hat, habe ich keinen Schub! Es sind die kleinen Dinge im Leben, an denen man sich erfreuen sollte!

Weiterhin bin ich so unglaublich überwältigt von den Wellen, die mein Blog schlägt. 200 Leute, die meinen Blog lesen sind so unglaublich viel mehr als ich je erwartet hatte und ich danke jedem einzelnen so unendlich. Egal, ob stummer Leser oder jemand, der mir über Whatsapp, Facebook oder telefonisch Kraft wünscht. Danke! Tragt die Seite weiter an Bekannte, Freunde, Familie und lasst uns so alle gemeinsam empfindlicher für Multiple Sklerose werden!

Wir spielen blinde Kuh – oder blinde Swenni

Mein Papa hat mir am Telefon mehr oder weniger verboten, wieder so traurig über diesen Tag zu schreiben.

Um das für euch alle klarzustellen: Auch wenn meine Beiträge meistens melancholisch oder traurig klingen – mir geht es gut. Die Sache ist einfach diese, dass ich meistens Beiträge schreibe, wenn etwas passiert ist, was mich zum Nachdenken gebracht habt. Aber da ich, wie ihr ja wisst, in letzter Zeit recht wenig zu sagen hatte, haben also die glücklichen Momente überwogen – bis heute.

Es ist erst halb 3 aber der Tag ist für mich schon gelaufen. Ich war heute beim Augenarzt, da ich diesen Termin gemacht hatte, um nachschauen zu lassen, ob man eventuell mit einer stärkeren Brille oder Medikamenten etwas regeln oder verbessern könnte.

Pustekuchen.

Mir wurden zu Beginn Augentropfen reingemacht, die meine Pupillen geweitet haben. Jetzt sehe ich aus wie ein Drogenabhängiger, der gerade voll auf einem Trip ist. Weiterhin ist heute der erste richtig Sonnentag und ich bin mir wegen des unglaublichen Brennens in den Augen sicher, was in diesen Tropfen war: Die drei goldenen Haare des Teufels! Ohne jeden Zweifel.

Es wurden schätzungsweise 100000 Tests gemacht (entschuldigt meine laufenden Übertreibungen), bei denen mein Sehnerv untersucht wurde, mein Blickfeld und die Sehstärke. Die Ärztin hat dann festgestellt, dass es wohl schon mehrere Schübe auf Kosten meiner Augen gab und eine Brille das leider nicht bessern kann. Es sieht wohl alles wie erwartet schlecht aus (beide Sehnerven)  aber nicht übermäßig kaputt, Jetzt hat sie meiner Neurologin noch geschrieben wegen der ganzen Befunde bezüglich meiner Augen und dann war es das auch schon. Ich soll jetzt einmal jährlich kommen und bei Bedarf auch gern früher. Gern. GERN. Oh ja, ich hätte super super super GERN bald wieder einen Schub, um früher in Ihrer Praxis aufzutauchen.

Doch das Beste kommt noch: Sie hat mir geraten, meinen Berufswunsch zu überdenken und lieber einen Computerjob zu machen, da die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass ich mit 45 Jahren nicht mehr genug lesen kann, um Lehrer zu werden. Da stellt sich mir zwar die Frage, ob ich bei einem Job am Computer nicht sogar mehr Sehkraft brauche aber das sei nun dahingestellt. Hm, mit 45. Das sind noch 24 Jahre. Noch mehr, als ich jetzt schon lebe, Will ich mir darüber jetzt schon Gedanken machen? Will ich mich deswegen jetzt verrückt machen, mein Studium abbrechen und mich nach etwas anderem umschauen? I doubt it. Sicherlich nicht. 

Ich war schon immer der Meinung und festen Überzeugung, dass ich einen sehr starken Charakter habe und mich nicht leicht unterkriegen lasse. Und genau das wird zurzeit ziemlich auf die Probe gestellt. Natürlich verunsichert mich das alles und jeder Besuch bei irgendeinem Arzt bringt nur noch mehr Sch*** zum Vorschein. Aber wie würde Bibi sagen? That’s just how it is. (wap bap badadidada). Nein, Spaß beiseite. Das ist nun mal das Leben und das ist mein Leben. Und mich im Alter von 21 schon runterziehen zu lassen wegen etwas, was eventuell mal passieren könnte,, ist nicht meine Art. Ich habe so unglaubliche Freunde, meine wundervolle Familie und meinen perfekten Freund, dass ich es mir gar nicht trauen würde, den Kopf hängen zu lassen, da ich somit diejenigen verletzen würde, die jeden Tag das Beste geben, um mir mein Leben so schön zu machen, wie es geht. Und ich danke ihnen so unendlich sehr auch wenn ich es nicht jedem tagtäglich sage.

Ich werde auch weiterhin kämpfen und lernen, mit der Situation umzugehen.

Du darfst den Kopf nicht hängen lassen, wenn du bis zum Hals in der Scheiße stehst.

Metaphern über Metaphern

14 Termine bis Ende Juni in der Median-Klinik in Leipzig. Wie auch schon in Bad Klosterlausnitz beschränkt sich das Angebot der Therapien für mich auf MTT, Ausdauertraining, Wassergymnastik und Stressbewältigung (auch wenn sie das komischerweise auf dem Therapieplan mit ß schreiben).

Als erstes hatte ich gestern eine Bestandsaufnahme sozusagen mit der Ärztin der Neurologie dort in dieser Klinik. Festgestellt wurde, was alle (inklusive euch) schon wissen: das rechte Bein ist okay, das linke ist Matsch. Ich habe weder ihr Streicheln (uh la la), noch das angebliche Vibrieren dieser komischen Stimmgabel gemerkt. Nun ja, der Kaffeebohnenschritt hat auf einmal auch wieder nicht funktioniert und Temperaturempfinden am linken Bein ist auch gleich 0. Bei der Terminplanung wurde sich bei mir auf Donnerstag und Freitag beschränkt, da ich an diesen Tagen keine Uni habe und die Neurologie dort täglich nur bis 14 Uhr geöffnet hat und es sich somit nicht anders hat einrichten lassen. Mein erster Therapietag ist der 12.05. und ich bin sehr gespannt.

Was allerdings viel wichtiger war, war mein Termin bei meiner Neurologin, welcher auch gestern stattgefunden hat. Nach einer Stunde Wartezeit trotz Termin (es sei ihr verziehen, da sie sich für jeden Patienten viel Zeit nimmt und keinen Stress macht) kam ich dran. Ich habe davon erzählt, wie die Reha war, wie das Gespräch mit der IRENA war und habe dann gleich angefragt, ob sie mir vielleicht auch noch Physiotherapien verschreiben würde, da diese nicht von der Rentenversicherung gezahlt werden aber gerade diese mir sehr gut bzw. am meisten geholfen haben. Gefragt, getan. Sie hat mir sofort 10 x Einzelgymnastik verschrieben und mir gesagt, dass ich jederzeit mehr bekomme, sobald ich es brauche. Weiterhin ging es um meine liebe Freundin Tec und wie gut ich diese vertrage und auch um das Vitamin D3. Sie meinte nun wieder, widersprüchlich zu der Oberärztin in der Klinik, dass ich nicht 8000 Einheiten pro Tag nehmen soll, da das zu viel ist und man dieses Vitamin wohl auch überdosieren kann. Lieber soll ich 2500 Einheiten am Tag bzw. 20000 in der Woche zu mir nehmen, das würde reichen. Also passe ich mich darauf an und schraube die Einnahme wieder etwas runter.

Das Umfassendste des Termines war allerdings die Auswertung des MRTs von der Halswirbelsäule, was vor einer Woche gemacht wurde. Wir haben uns zusammen die CD angeschaut und leider festgestellt, dass nicht nur in meinem Gehirn, sondern auch in der Halswirbelsäule bis zu den Schultern Entzündungsherde vorhanden sind. Und da kommen wir auch schon zu den Metaphern, auf die der Titel des Eintrags hindeutet. Es sei kurz vor 12 gewesen, wir hätten gerade noch den Fuß in die Tür stellen können und so weiter und so fort. Quintessenz aus diesen ganzen Metaphern: Wäre ich im Januar nur ein paar Wochen später gekommen, so hätten wir mich wahrscheinlich nicht wieder so gut herrichten können, wie es jetzt der Fall ist.

Ich hätte auch ganz ursprünglich meinen ersten Termin beim Neurologen erst am 10.05. gehabt (wenn mich nicht die KVS so schnell weitergeleitet hätte) und da meinte meine Neurologin, dass ich bis dahin sicherlich im Krankenhaus gelandet wäre, da ich ja bis Mai schon längst nicht mehr hätte laufen können, wenn ich nicht durch einen glücklichen Zufall im Januar an sie gekommen wäre.

Was mich weiterhin nervt ist die Tatsache, dass die Moritz Klinik meinen Abschlussbericht nicht an meine Neurologin geschickt hat, sondern an meine Allgemeinärztin, mit der ich eigentlich nie nie nie wieder Kontakt haben wollte, da sie mir durch ihre inkompetente Diagnose so viel Besserung verwehrt hat. Aber meine Neurologin (ich nenne sie im Folgenden einfach Kali) meinte, dass die Allgemeinärztin (im Folgenden: dumme Kuh) somit vielleicht ein schlechtes Gewissen bekommt.

Wer’s glaubt, wird selig (um es mit einer Metapher abzuschließen).

,,Wir müssen leider trotzdem noch Nervenwasser ziehen.“

Da zwar meine Diagnose klar war, die deutsche Gesetzgebung allerdings vorschreibt, dass eine Lumbalpunktion durchgeführt und das dort entzogene Hirnwasser untersucht werden muss, bevor man mit der Medikation beginnen darf, stand mir das also noch bevor.

Ich las im Internet viele Erfahrungsberichte durch, fragte Bekannte, welche solch eine Punktion schon durch hatten und kam zu dem Entschluss: Nö. Nö, das mach ich nicht. Muss ich nicht machen. Hab ich keine Lust drauf. Hm, natürlich musste ich es trotzdem machen; mir blieb ja keine andere Wahl. Also ging ich, aufgeregt wie ein Schwein vor der Schlachtung, zu meiner Neurologin. Ich wurde direkt in ihr Zimmer gerufen und sah schon, dass Nadeln, Handschuhe, Mundschutz etc. bereitlagen. Nach gründlicher Befragung, ob ich mich bereit fühle, ging es los.  Erst wurde mir Blut abgenommen und dann direkt eine Kochsalzinfusion gelegt, damit mein Kreislauf stabil bleibt.

,,Ich werde jetzt erst einmal alles desinfizieren. So, jetzt nicht erschrecken, ich werde die erste Nadel, die Hohlnadel, jetzt zwischen Ihrem 3. und 4, Wirbel in den Rücken einführen. So, diese Nadel steckt und jetzt kommt die stumpfe Nadel, mit der wir das Gewebe zur Seite drücken.“

Da es leider beim ersten Versuch nicht so klappte, wie erhofft und sie einen Knochen erwischte, wurde noch ein zweites Mal, jetzt zwischen 2 anderen Wirbeln, gestochen und das Nervenwasser lief schön in ihre insgesamt 4 Röhrchen. Da sie sich während der Abnahme mit mir unterhielt, war alles super und ich habe keine Schmerzen gespürt. Als alles vorbei war, lag ich noch 3 Stunden auf einer Liege und bekam weiterhin Kochsalzinfusionen, trank viel und dachte nach über Gott und die Welt. Ab und zu musste ich auf die Toilette und bekam für meinen Tropf einen beweglichen Halter. Und ja, das ist genau solch ein Ding, wie man aus Filmen kennt. Dieses, mit dem die Patienten durch die Gegend rennen, die unter ihrem Kleidchen keine Hose tragen. Die Bekleidung war wahrscheinlich das Einzige, was uns unterschied.

Die Tage nach der Infusion verliefen gut. Ich trank ungefähr 5 Liter am Tag und lag hauptsächlich auf der Couch und vermied Aufregung und Bewegung. Und das war wahrscheinlich das Beste, was ich hätte machen können. Denn bis jetzt, bis zum 4. Tag nach der OP, habe ich weder Kopf-, noch Rückenschmerzen. Natürlich wurden die Einstichstellen etwas blau doch das ist kein Vergleich zu den Migräneanfällen, die mir von den Meisten beschrieben wurden.

Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug, als wie zuvor.

Am 16.3. ist der nächste Termin bei der Ärztin und dann wird begonnen, nach einem geeigneten Medikament für mich zu suchen. Es bleibt spannend!

 

eine chronisch-entzündliche Erkrankung…

Im Januar 2016 merkte ich, dass meine Füße irgendwie eingeschlafen sind und nicht wieder ‚aufwachen‘ wollen. Also ging ich nach einer Weile zum Arzt, welcher mir sagt, dass es angeblich psychosomatische Schmerzen seien und ob ich denn innerhalb der Familie oder des Berufes irgendwelche Probleme habe. Als ich das verneinte, wurde mir eine Physiotherapie verschrieben, welche sich auf meine Bandscheibe konzentrieren sollte. Als ich dort sechs mal war, besserten sich meine Beschwerden und ich konnte wieder normal leben (wobei es mich zu diesem Zeitpunkt auch nicht sonderlich beeinträchtigt hat). Als es allerdings im Juni wieder los ging, dass ich nicht nur meine Füße, sondern auch meine Beine nicht mehr merkte, ging ich wieder zum Arzt. Dieser verschaffte mir nach einem wiederholten Verneinen von psychischen Problemen eine weitere Physiotherapie und einen Monat später eine Weitere, welche allerdings nicht mehr anschlug. So kam es, wie es kommen musste und mir ging es von Tag zu Tag schlechter. Nicht nur, dass ich immer weniger laufen konnte, sondern mein linkes Auge tat mir weh und konnte nicht mehr so richtig sehen. Da diese Probleme allerdings schnell wieder verschwanden, sagte ich den Augenarzttermin postum ab. Doch kaum ging es mir in einem Belangen besser, kam das nächste übel. Ich kam täglich von der Uni nach Hause und musste mich übergeben, da mir laufend übel war. Ohne, dass ich etwas besonderes gegessen hatte oder ähnliches. Ich ging also zum HNO-Arzt, da ich die Befürchtung hatte, dass etwas mit meinem Gleichgewichtssinn nicht stimmt. Ich hätte ja niemals gedacht, dass all diese Dinge miteinander zu tun haben. Nachdem ich nach einigen Tests von einer Physiotherapeutin auf Lagerungsschwindel therapiert wurde, meinte diese ganz nebenbei zu mir: ,,Aber wenn taube Beine dazu kommen, müssten sie mal einen Neurologen besuchen.“ Da ich diese zu diesem Zeitpunkt seit mittlerweile 9 Monaten hatte, tat ich das und bekam nach einigem Hin und Her recht schnell einen Termin bei einer sehr netten Neurologin. Nach einigen Tests, bei denen meine Nervenleitgeschwindigkeit geprüft und meine Reflexe und Fähigkeiten geprüft wurden, fiel sie gleich mit der Tür ins Haus und sagte: ,,Also nach all dem, was ich hier so sehe, liegt der dringende Verdacht der Multiplen Sklerose vor.“

 

Herzklopfen. Es wird schneller, immer schneller. Ich merke, wie schweißnass meine Hände sind. Bloß nicht weinen, Swenja. Bloß nicht schwach werden. Scheiße, jetzt passiert es doch. Reiß dich zusammen, du bist doch ein starkes Mädchen. Okay, ich kann es nicht mehr halten. Wie peinlich das ist. Jetzt noch im Wartezimmer deine Jacke holen. Alle starren dich an. ,,Auf Wiedersehen.“ Ich denke mir dabei, dass ich ja nun öfter hier sein werde. Die ganze Straßenbahnfahrt Tränen in den Augen. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Wie soll es jetzt weitergehen? Lande ich sofort im Rollstuhl? Was macht diese Krankheit mit mir? Warum gerade jetzt? Jetzt, wo du bald für 6 Wochen nach England willst. Jetzt, wo in einem Monat deine ersten Prüfungen in der Uni sind. Okay, noch eine Haltestelle und du bist bei der Radiologie. Ein MRT vom Kopf, das wird schon nicht so schlimm sein, einen Termin zu machen. Hör auf zu heulen, du musst gleich mit der Dame am Empfang reden. Ich lege ihr die Überweisung hin, sie schaut in mein Gesicht und gibt mir einen Termin in 3 Tagen. Ich sehe ihr ihr Mitleid förmlich an. Jetzt endlich nach Hause, nur in die Arme deines Freundes. Die Blicke der Mitfahrer stechen mir direkt ins Herz. Sie denken sicherlich, dass ich gerade verlassen wurde oder jemand gestorben ist. Wenn die wüssten…