Fortschritte und Rückschläge

Seit die MS bei mir nicht nur zu Besuch ist, sondern auch dauerhaft in meinem Kopf wohnt, ist mein Alltag von unvorhersehbaren Ereignissen und nicht planbaren Dingen geprägt.

Ich führe meinen Terminkalender eigentlich strikt und genau. Das Problem ist nur, dass meine Bratwurst mir ab und zu einen Strich durch die Rechnung macht, mich mit ungeheuren Bauchschmerzen oder sonstigen Wehwehchen straft und ich somit meine Pläne etwas anders schmieden muss. Ich gebe zu, dass mir das schwer fällt aber auch, dass ich mich nach nun einem guten dreiviertel Jahr allmählich daran gewöhnt habe.
So wird nämlich auch mal ein Tag, an dem man nichts geplant hatte zu einem der Produktivsten in der Woche.

So war es beispielsweise Donnerstag. Ungeplant bin ich mit drei Freunden ins Fitnessstudio gegangen und habe alles gegeben. Eigentlich dachte ich, dass ich nach so einer Anstrengung fix und fertig bin, wie es sonst schon allein vom Bettbeziehen der Fall war.

Aber: nein!

Zuhause habe ich vor lauter Elan begonnen, die Wohnung zu putzen, Wäsche zu waschen, einen Speiseplan für die nächste Woche zusammenzustellen etc. Ich hatte schon völlig vergessen, dass in mir ab und zu noch solche Kräfte wohnen, die anscheinend mit Hilfe des Sports aus mir herausgekitzelt werden wollen und müssen.
Und so kann es gerne weitergehen, denn es gab diese Woche auch Rückschläge.

Bei der Physiotherapie am Montag mussten meine Therapeutin und ich kläglich feststellen, dass von dem, in der Reha erworbenen, Gleichgewichtssinn dank meiner monatelangen Pause nicht mehr viel übrig geblieben ist. Da ich meinen Termin am Freitag auch noch absagen musste, geht es also morgen damit weiter, mich irgendwie standhaft zu machen.

Weiterhin habe ich beschlossen, bei Instagram einen neuen Account zu eröffnen, der sich nur um mich und meine Bratwurst dreht. Somit gehe ich denen nicht auf die Nerven, die davon vielleicht gar nichts lesen wollen und andererseits kann ich euch somit immer auf dem Laufenden halten.

Auch, wenn ich nicht so viel Zeit habe, einen neuen Beitrag im Blog zu verfassen.

 

Eine Woche im Zeichen des Sports

Um ein Resümee aus dieser Woche zu ziehen: Ich habe seit gefühlt einem Jahr nicht mehr so viel Bewegung gehabt wie in den letzten sieben Tagen.

Am Montag bin ich, wie ich euch im letzten Beitrag versprochen hatte, das erste Mal mit meinem besten Freund ins Fitnessstudio gegangen, wo ich zwar schon seit Juli angemeldet bin, jedoch noch nie wirklich ernsthaft einen Fuß hineingesetzt habe.
Da ich ja noch keinen Trainingsplan hatte, habe ich einfach die Geräte benutzt, die ich aus der Reha und meiner IRENA schon kannte – Laufband, Beinpresse und welch utopischen Namen die Dinger sonst noch so haben.
Ich muss zugeben, dass ich deutlich gemerkt habe, wie schwach ich geworden bin. Was ich an Gewicht in der Reha noch mit meinen Beinen weggedrückt habe, hat mich jetzt fast zum Aufgeben gezwungen.

Aber ich habe durchgehalten und mein improvisiertes Training durchgezogen!

An den folgenden Tagen war wenig Zeit für Sport, da die Uni in diesem Semester wirklich viel Zeit beansprucht und ich somit eigentlich täglich von neun bis mindestens 7 unterwegs bin. Dafür bin ich bisher sehr euphorisch, was mein neues Studium betrifft und das ist doch die Hauptsache.

Am Freitagmorgen hatte ich dann halb 9 meinen ersten Termin in meiner neuen Physiotherapepraxis. Und was soll ich sagen? Ich habe noch nie solch eine stilvoll eingerichtete Praxis gesehen (und ich habe ja ungefähr 4 Stück zum Vergleich) wie diese. Ich wurde herzlich empfangen und wir haben erst einmal eine „Bestandsaufnahme“ gemacht und geschaut, welche Körperteile noch vorhanden sind.
Okay, das war ein schlechter Scherz. Sie hat getestet, wie viel Kraft in welchem Bein ist und welche Belastungen und Bewegungen schwerfallen. Am Montag, wenn ich meinen nächsten Termin habe, werden wir im Turnraum die Therapie beginnen. Seid gespannt; ich bin es nämlich auch!

Am Samstag war ich dann nochmals im Fitnessstudio und habe mit einem Trainer meinen Trainingsplan zusammengestellt. Es wurde von vorne bis hinten auf meine MS eingegangen, es wurden unzählige Fragen gestellt, was ich kann und was nicht und dann wurde jedes einzelne Gerät mit mir zusammen getestet und eingestellt.

Trotz deiner Physiotherapie musst du mir versprechen, dass du zweimal die Woche deinen Trainingsplan hier durchziehst; ich mache dir extra einen relativ kurzen Plan.

Relativ kurz ist relativ. 50 Minuten Sport sind ungefähr 60 Minuten mehr, als ich eigentlich sonst gemacht habe. Aber von nichts kommt nichts.

Und da mein Trainer mir dann sagte, dass ich die kalorienreichste Mahlzeit des Tages direkt nach dem Training zu mir nehmen soll und ich eh noch kein Mittag gegessen hatte, gab es zur Belohnung einen Döner – vegetarisch natürlich!

Zweiundzwanzig

Wiedermal habe ich eine ganze Weile nicht von mir hören lassen.

Seitdem die Uni wieder begonnen hat (und das ist nicht einmal eine Woche her), bin ich nur unterwegs. In die Uni – zurück – in die Stadt – zurück – zum Freund auf Arbeit – zurück – und so weiter – und so fort.
Die Wege, die ich zurücklege(n muss) sind länger als die, die ich wahrscheinlich in den kompletten vergangenen 3 Monaten gelaufen bin. Aber das ist gut! Und irgendwie ist es zugleich befriedigend und erschreckend, wenn man Muskelkater in den Oberschenkeln hat – und zwar vom normalen Laufen.

Die Module und Inhalte im neuen Semester bzw. im neuen Studium sind (bisher) sehr interessant und spannend. Ich bin wirklich gespannt, wie lang meine Euphorie noch währt und ob ich zufrieden bleibe.

Mit dem Fitnessstudio hat es bisher noch nicht sooo gut geklappt. Anders gesagt: Ich habe es immer noch nicht geschafft, hinzugehen. Doch morgen Nachmittag treffe ich mich mit meinem besten Freund und wir gehen zusammen das erste Mal trainieren bzw. überhaupt erstmal das Studio kennenlernen. Und wo wir schon beim Thema Sport sind: Diese Woche Freitag beginnt auch meine Physiotherapie und ich bin wirklich gespannt, inwieweit sie meine Beine wieder hinbekommen. Ich merke deutlich, dass ich meinen Körper in den vergangenen Wochen vernachlässigt habe und muss somit mehre Pausen einlegen, als es eventuell vor 4 Monaten der Fall war. Aber ich bin optimistisch, dass sich das wieder einpegelt. Was bleibt denn auch sonst noch übrig neben dem Optimismus?

Wie ich gesehen habe, war die Besucheranzahl des Blogs am Mittwoch überproportional hoch. Und wie ihr euch denken könnt, hat der Titel dieses Eintrags etwas mit meinem Geburtstag zu tun.

Zweiundzwanzig.

Was soll ich großartig sagen? Ich habe zu diesem Anlass alle Freunde gesehen, die ich sehen wollte. Ob in der Uni, in Dessau oder bei uns in Leipzig. Meine bessere Hälfte war die ganze Zeit an meiner Seite, ich habe meine Familie gesehen und wurde von hinten bis vorne mit Glückwünschen und ernst gemeinten lieben Worten überschüttet. Ich hätte es mir fast nicht anders vorstellen können.

Fast.

Es war der erste Geburtstag mit MS. Mit meiner Bratwurst. Meiner. Sie gehört zu mir. Natürlich merke ich sie jeden Tag und falls ich sie mal vergesse, gibt sie mir einen kurzen Impuls, damit ich mich doch an sie erinnere. Verständlich; niemand möchte vergessen werden.
Doch an diesem Tag denkt man irgendwie besonders stark an alles, was man in diesem Jahr durchgemacht hat. Meinen letzten Geburtstag habe ich schließlich noch in dem Glauben gefeiert, dass alles mit mir okay sei. Dass ich gesund sei. Bis auf die tauben Beine. Doch mit der Hoffnung, dass das alles schon irgendwie und irgendwann von alleine verschwindet.

Gott, war ich naiv.

Zu diesem Geburtstag allerdings war die Gewissheit da, dass es nicht einfach von alleine verschwindet. Doch ob ich deswegen unendlich traurig bin und den Kopf in den Sand stecke? Ach bitte, ihr kennt mich doch.

Ich habe in den letzten Wochen viel von anderen Erkrankten gelesen, die darüber gesprochen haben, was die MS ihnen alles Positives gebracht hat und mich gefragt, wie es denn bei mir aussieht.
So ganz offensichtlich ist das natürlich nicht. Was sollte schon gut an einer Krankheit sein, die dazu führt, dass das Immunsystem den eigenen Körper angreift?

Ich glaube, wenn ich ganz stark und genau darüber nachdenke, wird mir klar, dass ich mehr Acht auf mich gebe. Und weniger auf die Meinung der Anderen (Mein Freund wird, wenn er das liest, die Augen verdrehen. Er weiß, dass das nicht immer der Fall ist und ich oft nicht einfach darüber hinwegsehen kann, wenn sich jemand Fremdes ein falsches Urteil über mich bildet.).
Ich habe mal, ich glaube es ist gar nicht allzu lange her, einen Beitrag darüber geschrieben, worüber ich mir alles keine Gedanken machen muss und sollte.

Auch mit dem stolzen Alter von 22 Jahren muss ich mich selbst oft daran erinnern, dass es okay ist, nicht so zu sein, wie es andere eventuell von einem verlangen.

Weil ich selber doch für mich mit am Wichtigsten sein sollte, oder?
Falls es arroganter klingt, als es gemeint war, tut es mir leid.

Aber gebt Acht auf euch. Und lasst euch nichts von anderen vorschreiben (Außer es ist euer Chef. Oder die Polizei. Oder das Gesetz. Aber ansonsten bitte nicht. Naja, doch. Oder es ist eure Mama. Die dürfen das, egal wie alt man ist.). Wir selbst und unser Wohlergehen sollte uns mehr am Herzen liegen als die Meinung anderer.

Entschuldigt diesen Text; er erscheint mit jetzt ein wenig zu theatralisch. Aber das ist schon okay, glaube ich.

Jemandem Gesundheit zu wünschen, sollte nicht nur eine belanglose Floskel sein!

Nach mehr als zweieinhalb Monaten sind wir wieder gut und sicher in Leipzig und in unserer gewohnten Umgebung angelangt. Hier kann man nun also wieder eine Swenja plus Anhang in freier Wildbahn erleben.

Und was macht man so, wenn man wieder daheim ist und noch eine ganze Woche Zeit hat, bevor die Uni beginnt?
Genau! Man verabredet sich mit dem besten Freund für den nächsten Tag, um zusammen zum Fitnessstudio zu gehen und endlich wieder auf Trab zu kommen, um dann letztendlich… naja.. wie soll ich es sagen.
Ich hatte meine Sachen schon gepackt und dann hat er aber geschrieben, dass er krank ist und ich wollte ja ungern seine Gesundheit auf’s Spiel setzen, da ja gerade ich weiß, wie wichtig Gesundheit ist.
Für euch mag es nach einer schlechten, sehr schlechten, Ausrede klingen, doch wir sind daheim geblieben. Ich habe 300 Seiten meines Buches gelesen und zum krönenden Überlaufen des Fasses beigetragen, indem ich ein (vielleicht auch zwei) Stücken Schokokuchen gegessen habe.. Schande über mich.

Doch solch Nachlässigkeit wird einem schnell wieder auf ein goldenes Tablett gelegt und direkt vor die Nase gehalten. Denn heute Morgen bin ich zusammen mit meinem Göttergatten zur Straßenbahnhaltestelle gelaufen und habe deutlich gemerkt, dass die Kraft in meinen Beinen wirklich weniger geworden ist in den vergangenen 3 Monaten.
Umso mehr freue ich mich auf meinen geregelten Tagesablauf und die kleinen (aber vielen) Strecken zwischen verschiedenen Anlaufstellen, zu denen ich hier muss.

Und den ersten Besuch hier habe ich gleich der Praxis von Kali abgestattet und mir 368 neue Tabletten besorgt – 200 Levi und 168 Tec. Das reicht erst einmal für die nächsten 12 Wochen.

Ansonsten gibt es nichts großartig Neues zu erzählen: Mein Stundenplan für das Semester, was in 5 Tagen beginnt, steht immer noch nicht, da ich erst am Freitag erfahre, zu welchen Modulen ich zugelassen wurde und somit bisher noch alles recht ungeplant ist. Und ihr wisst, wie sehr ich etwas liebe, wenn es nicht geplant ist. Es macht mich wahnsinnig!

Weiterhin habe ich seit ein paar Tagen oder eventuell schon einer Woche einen Muskelkater im linken Unterarm, der mir sehr bekannt vorkommt. Meine Hand will anscheinend krampfen und Levi wirkt so stark dagegen, dass es zwar nicht zum Krampf kommt aber ich trotzdem Muskelkater habe. Grandios. Nun ja, wenigstens habe ich so das Gefühl, mich sportlich betätigt zu haben. Ha.. ha… Traurig eigentlich.
Als Extrageschenk habe ich seit einigen Wochen einen starken Schmerz in meinem kleinen Finger zu manchen Zeiten des Tages. Aber ich mache mir darüber nicht allzu große Gedanken, da das ja so oder so nichts nützt. Und wenn ich bei jedem Pipifax (ja, es heißt so und ja, es wird so geschrieben. Ich habe extra im Duden nachgeschaut!) zu Kali rennen würde, könnte ich mich auch gleich bei ihr einmieten.
Es beeinträchtigt mich nicht und wird schon von alleine wieder abhauen. Tec wird dafür sorgen!

Doch worüber ich mir in letzter Zeit öfter Gedanken gemacht habe, ist folgendes: Man wünscht Bekannten, Freunden und natürlich auch der Familie bei jedem Anlass Gesundheit; besonders natürlich bei Geburtstagen (oder wenn jemand niesen muss).
Früher habe ich es einfach gemacht, da es Gewohnheit für mich war. Anstand. Weil mir sonst nichts anderes einfiel, was man sagen oder schreiben kann.
Dabei ist Gesundheit doch das Wichtigste, was einem Menschen gewünscht werden kann. Niemand hat es verdient, krank zu sein. Nicht einmal die größten Feinde.
Seither wünsche ich anderen Leuten immer Gesundheit. Jeden Tag. Still. In meinem Kopf.
Und zum Geburtstag erinnere ich sie daran. dass ich ihnen wünsche, gesund zu bleiben.
Da dies ja letztendlich die höchste Priorität hat.