glückliche Neurologin = glückliche Swenja

Nach dem letzten Schub im November war heute mein erster offizieller Termin bei Kali im neuen Jahr.
Vorbildlich schrieb ich in den vergangenen Wochen eine Liste, was ich sie alles fragen möchte.

So war es letztendlich eine Ansammlung von 14 Stichpunkten (neue Rezepte, Fragen zu meinen Blutwerten, Infos über meinen Schwerbehindertenstatus etc.), die ich bei ihr abarbeitete.

Wie immer wurde sich unglaublich viel Zeit für mich genommen, obwohl die Praxis heute aus allen Nähten platzte. Bevor ich zu ihr durfte, hatte ich allerdings noch etwas schönes vor mir:

VEP. Jeder Betroffene kennt das Gefühl, wenn einem die ekelhafte Kleberpaste auf den Kopf geschmiert wird, nachdem die Kopfhaut 2 Minuten lang mit dem wohl gröbsten Schmirgelpapier der Welt massakriert wurde. „Das ist, damit die Elektroden auf ihrer Kopfhaut besser halten.“ Jaja, ich weiß, wozu das da ist. Es tut trotzdem weh und sieht danach unendlich blöd aus. „Ach, sehen Sie, auf Ihren blonden Haaren fällt das gar nicht auf!“ Hm, danke. Jetzt fühle ich mich besser..

Das Schachbrettmuster bewegt sich hin und her und ich versuche, das rote Kreuz deutlich im Blick zu behalten. Ich habe das Gefühl, dass das eindeutig besser klappt als die vorherigen Male.

Endlich in Kalis Zimmer angekommen, freut sie sich überschwänglich über meine Fortschritte, mein Aussehen, das gerade Gehen und eigentlich über jedes einzelne Wort, das ich sage. Ich freue mich gleich mit und weiß eigentlich gar nicht, wieso. Aber ich bin glücklich.

Sie sagt, dass alle meine Blutwerte perfekt seien, dass das VEP super Ergebnisse hat und sie allgemein sehr zufrieden mit mir und meinem Zustand sei. Insgesamt 30 Minuten quatschen wir über Gott und die Welt und natürlich auch über die MS. Ich solle unbedingt Walnusskernöl benutzen und Hanföl sei auch sehr gut (habe ihr dann auch erzählt, dass ich das seit 2-3 Monaten täglich gegen die Fatigue nehme. ihre Reaktion: riesige Begeisterung darüber.)

Ich verlasse die Praxis mit einem neuen Rezept für Levi, einem neuen Rezept für die Physiotherapie (über deren Erfolge sie sich auch riesig freut), einer Überweisung zum MRT im März und einem breiten Lächeln.

Ihre MS ist in der Stabilisierungsphase. Der Fakt, dass Sie jetzt im Januar, wo es so viele trifft, keinen Schub haben, zeigt uns, dass ihre MS gerade am Stabilisieren ist. Ich bin so gespannt auf das MRT!

Und ich erst.

Stress, den keiner braucht

Vorlesungen in der Uni ausfallen lassen, um Zuhause für die Uni zu lernen?
Hm, klingt zugegebenermaßen ziemlich schräg, ist hier aber leider gerade der Fall.

Man nimmt sich am Beginn des Semesters immer vor, alles wöchentlich nachzuarbeiten, damit man zur Prüfungsphase ’nur‘ noch lernen und nichts zusammenfassen muss. Und wie immer passiert folgendes: In 3 Wochen sind Prüfungen und ich sitze seit 4 Stunden am Laptop (was meinen Augen übrigens überhaupt nicht gefällt) und versuche, den Stoff der letzten 12 Wochen nachzuarbeiten.

Dieser Prüfungsstress, der schon seit ein paar Tagen auf mich wirkt (obwohl die Prüfungen ‚erst‘ in 3 Wochen sind) bringt mich dazu, Dinge zu tun, die ich sonst niemals machen würde.
Heute habe ich zum Beispiel freiwillig meine Serie ausfallen lassen, um an meiner Zusammenfassung zu arbeiten. Ja, ich war nicht mal im Fitnessstudio!

Mein Zeitmanagement ist also definitiv noch ausbaufähig. Wobei ich auch zugeben muss, dass ich für meine Prüfungen fürs Abi knappe 2 Wochen (allerhöchstens) vorher begonnen habe, mir den Stoff anzugucken. Vielleicht bin ich also doch organisierter als gedacht. Oder zumindest organisierter als vor 5 Jahren.

Und so kommt es auch zustande, dass ich meinen Blog nicht mehr regelmäßig füttere.

Asche über mein Haupt!

Ich kann nur soviel sagen: Mir geht es gut genug, als dass ich nicht täglich an die MS denke. Ich habe viel zu tun und das gefällt mir auch, weil es ein geregelter Tagesablauf ist und ihr wisst, dass ich so etwas sehr schätze. Und das Beste:
Ich war heute beim Urologen, da ich den Verdacht auf eine MS-bedingte Blasenentleerungsstörung hatte – ein Symptom, was viele MSler haben, worüber allerdings (selbst im Jahr 2018) nur hinter vorgehaltener Hand geredet wird. Und sehet da: Es ist alles okay!!!!! Keine Störung vorhanden, lediglich Missempfindungen, die aber nicht behandelt werden müssen. Ich habe mir ehrlich gesagt schon das Schlimmste ausgemalt und bin unendlich froh, dass alles gut ist.

In einer Woche geht es wieder zu Kali und zum VEP – um zu schauen, ob denn meine Sehstörungen vom letzten Schub komplett verschwunden sind. Drückt mir die Daumen!

365.

04.01.2017

Herzklopfen. Es wird schneller, immer schneller. Ich merke, wie schweißnass meine Hände sind. Bloß nicht weinen, Swenja. Bloß nicht schwach werden. Scheiße, jetzt passiert es doch. Reiß dich zusammen, du bist doch ein starkes Mädchen. Okay, ich kann es nicht mehr halten. Wie peinlich das ist. Jetzt noch im Wartezimmer deine Jacke holen. Alle starren dich an. ,,Auf Wiedersehen.“ Ich denke mir dabei, dass ich ja nun öfter hier sein werde. Die ganze Straßenbahnfahrt Tränen in den Augen. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Wie soll es jetzt weitergehen? Lande ich sofort im Rollstuhl? Was macht diese Krankheit mit mir? Warum gerade jetzt? Jetzt, wo du bald für 6 Wochen nach England willst. Jetzt, wo in einem Monat deine ersten Prüfungen in der Uni sind. Okay, noch eine Haltestelle und du bist bei der Radiologie. Ein MRT vom Kopf, das wird schon nicht so schlimm sein, einen Termin zu machen. Hör auf zu heulen, du musst gleich mit der Dame am Empfang reden. Ich lege ihr die Überweisung hin, sie schaut in mein Gesicht und gibt mir einen Termin in 3 Tagen. Ich sehe ihr ihr Mitleid förmlich an. Jetzt endlich nach Hause, nur in die Arme deines Freundes. Die Blicke der Mitfahrer stechen mir direkt ins Herz. Sie denken sicherlich, dass ich gerade verlassen wurde oder jemand gestorben ist. Wenn die wüssten…

04.01.2018

Herzklopfen. Es wird schneller, immer schneller. Ich merke, wie schweißnass meine Hände sind. Bloß nicht an Wasser denken, Swenja. Bloß nicht schwach werden. Scheiße, jetzt passiert es doch. Lauf ein bisschen schneller, Swenja. Die Toilette ist am anderen Ende der Praxis. Okay, zum Glück kann ich es halten. Das wäre peinlich geworden. Puh. Wo kommen diese ganzen Menschen her? Entschuldigung, darf ich mal kurz? Okay, dann nicht. 45 Minuten warte ich schon. Immer mehr Menschen betreten Kalis Praxis, die ich allmählich in- und auswendig kenne.
Dort sieht man zwei junge Damen bei der Infusion – trotz Schub sind sie wirklich gut gelaunt. Und da ist noch jemand, der so aussieht, als hätte er MS. Er starrt wissend auf die Schleife auf meinem Tattoo und lächelt. Ha, wusste ich es doch! Uiuiui. Das erste Mal im Leben wird meine Vene in der Armbeuge beim ersten Stich getroffen. Tschaka, heute wird ein guter Tag!  Langsam aber bestimmt nehme ich die Treppe auf dem Weg aus der achten Etage nach unten. Meine Hand gleitet langsam über das Geländer, berührt es aber nicht. Ich komme auch ohne heile unten an.

365 Tage liegen zwischen diesen zwei Erzählungen. Mein Wunsch ist es, dass ich in den folgenden Jahren auch so positiv berichten kann. Vielleicht wird es ja zur Tradition, die Praxis an jedem vierten Januar zu besuchen und als Geschenk ein wenig Blut dortzulassen? Hm, ich werde es mir überlegen.