Angst und Warten

Warten und Angst.
Warten oder Angst haben?
Aus Angst warten?
Warten auf die Angst?
Angst haben vor dem Warten?
Angst haben oder warten?
Oder gar nichts von beidem?

Seit Monaten geht es mir so gut wie seit langem nicht mehr. Teilweise vergesse ich sogar völlig, was in meinem Kopf und meiner Halswirbelsäule so unbemerkt vor sich geht – und das ist auch gut so! Abgesehen von diesem Vergessen vergesse ich zwar noch unzählige andere Dinge, die mir gerade nicht einfallen, aber das ist okay.
Und trotz alledem habe ich manchmal Angst. Angst, zu genießen, was ich gerade erlebe. Angst, den Moment zu leben, weil er im nächsten Augenblick zerstört werden könnte. Und Sekunden später denke ich: Bist du eigentlich doof? Was bringt es dir, dir jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, was bald mal sein könnte? Oder eben auch nicht sein könnte! 
Da muss ich meinem Unterbewusstsein dann zustimmen und mir eingestehen, dass ich wirklich doof bin. Was nützt es mir, zu warten; indirekt darauf zu warten, was eventuell mit mir passieren könnte? Angst vor etwas zu haben, was vielleicht morgen oder erst in zehn Jahren oder niemals mit mir passieren könnte? Es lebt sich doch so viel besser ohne Angst. Und das weiß ich!

Ich will nicht mehr aus Angst Gelegenheiten verstreichen lassen, die sich mir so vielleicht nie wieder bieten werden. Nicht mehr sagen, dass es nicht klappt, weil ich es vielleicht nicht schaffen werde. Nicht mehr daheim bleiben, weil ich mich vor dem Unberechenbaren fürchte. Sondern einfach machen, meinen Tatendrang ausnutzen und etwas riskieren!

Und trotzdem warte ich manchmal darauf, dass mich die Angst wieder überkommt. Ja, ich bin doof – mein Unterbewusstsein hat recht.

Sag mir, wo die Swenja ist. Wo ist sie geblieben?

Zwei Monate habe ich mich von meinem Blog zurückgezogen, habe lediglich auf Instagram ab und zu meinen Senf dazugegeben und war ansonsten nicht präsent. 

Nein, stop! Natürlich war ich präsent – hoffentlich in euren Köpfen. Ich habe gesehen, dass täglich mehr als 20 Personen hier vorbeigekommen sind, um nach mir zu schauen. Zwar nur digital, jedoch habe ich mich trotzdem riesig gefreut.

Und ich war mehr als präsent in der Uni. Und unter, zwischen, über und neben meinen Heftern mit dem Stoff des letzten Semesters. Ihr könnte also langsam erahnen, was in den letzten zwei Monaten mit mir passiert ist.
Nur so viel vorweg: kein Schub, kein riesiger Uthoff, kaum Schmerzen, sondern lediglich Lernen, Prokastination, Lernen und noch mehr Prokastination.

Immer auf der Suche nach der nächsten Ablenkung, der nächsten weißen Wand zum Anstarren und der lautesten Fliege im Zimmer

Swenja Croft als Hauptfigur in: Prüfungsphase – der Untergang der Studentin

Ich entschuldige mich mal wieder für meine Theatralik. Ich glaube einfach, dass die Tatsache, dass ich vier Prüfungen geschrieben habe, eine Hausarbeit bereits morgen abgeben werde und somit nur noch zwei wissenschaftliche Aufgaben vor mir liegen, lässt den Stress der letzten Wochen abfallen.

Doch wie sieht’s eigentlich an der Bratwurst-Front aus?

Einiges habe ich ja bereits vorweggenommen. Mir geht es im Moment wirklich gut und trotz der starken Hitze der letzten Monate habe ich kaum Probleme mit dem lieben Herrn Uthoff. Wer weiß, vielleicht ist meine Freundin Tec doch gar nicht so eine Verräterin? Jedoch will ich es nicht beschreien und klopfe einfach auf Holz und bitte euch wie immer, dasselbe zu tun.

Allerdings gibt es eine beziehungsweise mehrere Änderungen, die sich innerhalb dieser letzten 64 Tagen ergeben haben. Ich hatte vor einigen Monaten von der lieben Kali ein Buch bekommen, in dem ein Arzt darüber schreibt, wie er seit mehr als 20 Jahren schubfrei lebt – und das lediglich durch das Ändern seiner Lebensgewohnheiten. Sie meinte also, dass ich es einfach lesen und ausprobieren solle, ob das etwas für mich wäre. Somit hat sich folgendes seit gut einem Monat geändert:

  1. Ich ernähre mich jetzt vegan.
    Ja, ja. Ich weiß, dass ich immer gesagt habe, dass ich nicht auf meinen Käse verzichten könne. Wenn allerdings ein gesundheitlicher Aspekt dahintersteckt und man die Hoffnung hat, dass es irgendeine Besserung hervorbringt, wenn auch nur eine klitzekleine, dann ist Käse viel unwichtiger als gedacht. Letztendlich denke ich auch, dass der Umstieg von Vegetarismus auf Veganismus noch ein wenig einfacher ist, als wenn ich vorher noch Fleisch gegessen hätte. Ihr erinnert euch, dass ich das nach der Reha im April letzten Jahres aufgegeben hatte?
  2. Ich verzichte auf zusätzliches Salz.
    Mich persönlich stört es nicht. Meine Geschmacksnerven gewöhnen sich langsam daran, dass ich nur noch mit Kräutern würze und auf den salzigen Geschmack verzichte. Ob das meinem Schatz jedoch auch so egal ist, weiß ich nicht. (Ich weiß jetzt schon, wie du mich gleich anschaust, wenn du das liest.) Doch bisher funktioniert es ganz gut, dass ich einfach in getrennten Töpfen koche oder der Salzstreuer einfach mit zum Esstisch genommen wird und er selbst entscheiden kann, wie viele Kristalle er auf sein Essen schütten möchte.
  3. Ich verzichte auf Süßigkeiten.
    Wahrscheinlich habe ich gerade deswegen in den letzten Wochen abgenommen. Guter Nebeneffekt, jedoch nicht der eigentliche Grund des Ganzen. Der Verzicht auf Zucker beziehungsweise der geringere Konsum trägt einfach allgemein zu einer gesunden Ernährungsweise bei. Und ihr wisst gar nicht, wie süchtig man stattdessen nach ungesalzenen Nüssen werden kann…
  4. Ich habe meine tägliche Vitamin-D-Dosis erhöht.
    Da ja zurzeit eh größere Forschungen dahingehend unternommen werden und von dem Autor des Buches 5.000-10.000 Einheiten täglich empfohlen werden, nehme ich nun 8.000 IE am Tag. Kali hatte mir damals zu ungefähr 3.000 am Tag geraten. Ich hoffe, dass sie mir nicht böse ist, wenn ich sie das nächste Mal sehe und ihr das erzähle. Aber: Das Buch war schließlich ihre Empfehlung!
  5. Ich setze mich öfters der Sonne aus.
    Klingt nach keiner großen Sache. Wer mich allerdings kennt, weiß, dass meine Körperfarbe beim Kontakt mit der Sonne von schneeweiß zu tomatenrot wechselt, um Ende des Sommers wieder weiß zu sein. Mir wurde allerdings heute morgen gesagt, dass ich langsam etwas Farbe bekomme. Und zwar eine, die in Richtung braun geht!
  6. Ich war seit gut 2 Monaten nicht mehr beim Sport.
    Nein, das ist keineswegs eine Empfehlung aus dem Buch, das nennt sich nur Faulheit. So wie ich keine Zeit gefunden habe, hier zu schreiben, so hatte ich auch keine, um zum Sport zu gehen.
    Okay, das war gelogen. Ich habe mir einfach nicht die Zeit genommen. Und ich weiß, dass das nicht gut ist..
  7. Ich bin mir sicher, dass ich etwas vergessen habe. 
    Nehmt es mir nicht übel und denkt daran, dass hier schließlich eine chronisch Kranke schreibt. Aber eine, die sich im Moment nicht so fühlt und auch nicht so wahrgenommen wird. Darauf trinken wir einen. Wenn auch nur digital 

Geh‘ mir nicht auf die Nerven!

Es fühlt sich in etwa so an, als würde jemand einen einzelnen Nerv in meinem Unterarm nehmen und dauerhaft daran ziehen. Gleichzeitig zieht allerdings jemand zweites von der anderen Seite der Nervenbahn.

Und so liefern sich zwei unbekannte, klitzekleine Männchen seit einer Woche einen Tauziehwettbewerb vom Feinsten zu meinen Kosten. Ich bin mir sicher, dass die Kräfte ziemlich ausgeglichen sind und es ein sehr spannendes Turnier ist.

Anders kann ich mir die Dauer des Schmerzes nicht erklären.

Wovon ich spreche, beziehungsweise wovon ich glaube zu sprechen sind Nervenschmerzen. Das hatte ich schon öfter, jedoch nie mehrere Tage hintereinander. Ich weiß aber (zum Glück) auch, warum ich es jetzt im Moment verstärkt merke: schlechtes Zeitmanagement.

Nein, ich habe nicht zu viel Stress und werde deswegen  von meinen rächenden Nerven gestresst. Ich habe einfach vergessen, neues CBD-Öl zu bestellen.
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich hier auf dem Blog schon jemals darüber geschrieben habe oder ob ich es nur meinen sogenannten Followern bei Instagram erzählt habe. Jedenfalls nehme ich nun seit einem halben Jahr jeden Morgen zehn dieser Tropfen.

Es ist ein Hanföl, was aber legal und freiverkäuflich ist und ’nur‘ als Nahrungsergänzungsmittel genutzt wird.

Anfänglich habe ich es nur wegen der Fatigue genommen und bin mir auch ziemlich sicher, dass es mir sehr gegen diese absolute Abgeschlagenheit hilft. Gerade jetzt, wo ich es seit gut fünf Tagen nicht mehr genommen habe und sozusagen auf ‚Entzug‘ bin, merke ich, wogegen das gute Öl sonst noch so hilft: die oben beschriebenen Nervenschmerzen und dieses unerträgliche Kribbeln in den Händen. Ein echtes Wundermittel also.

Der Geschmack ist zwar alles andere als angenehm, jedoch kann sich der Mensch ja mit vielen Unannehmlichkeiten arrangieren (wenn eh nichts anderes übrig bleibt). Und man hat ja schließlich gelernt:

Nutzen ≥  Kosten (in diesem Falle Brechreiz) = gut!

Okay, okay, so hat man das sicherlich nicht gelernt aber ihr wisst, was ich meine.

Lange Rede, kurzer Sinn: Heute Nachmittag sind meine neuen Tropfen angekommen und ich freue mich darauf, ab morgen nicht mehr wie ein Halbtoter durch die Gegend zu laufen.

Überwältigung

06:42 Uhr und nach dreimaligem Drücken des Snooze-Knopfes schaffen es mein Freund und ich, das Bett murrend zu verlassen. Also das selbe Programm wie jeden Morgen: Er macht das Frühstück und ich mache mich derweil im Bad fertig. Als der Timer laut aufquietscht und damit Bescheid sagen möchte, dass das Ei fertig gekocht ist, schlurfe ich aus dem Bad in die Küche, sammel auf dem Weg mein Handy ein und schalte das WLAN ein.

Hm? Was ist denn hier los?

Nach und nach trudeln etliche Nachrichten auf allen möglichen Kanälen ein: 13 Nachrichten bei WhatsApp, 16 Benachrichtigungen bei Facebook, zwei Nachrichten über den Messenger und bei Instagram ist mein Nachrichten- und Kommentarfach so überlaufen, dass man überhaupt nicht mehr erkennen kann, was neu und was alt ist.

Ach du scheiße, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?

Kaum lese ich die erste Nachricht, wird mir klar, dass ich ja gestern auf allen Plattformen den Link der Beiträge von Mama und mir gepostet hab. Und bereits gestern Abend war die Resonanz unglaublich. Besonders der Beitrag meiner Mama hat Reihen von Menschen zum Weinen gebracht. Doch manche Nachrichten und Kommentare, die ich erhalten habe, haben mich ein wenig nachdenklich gemacht.

Viele haben mir geschrieben, dass sie meinen Blog schon länger lesen und nie wussten, ob und wenn ja, wie sie mich anschreiben können, um nicht pietätlos zu erscheinen. Eine Kommolitonin, die zu einer Freundin geworden ist, schrieb mir auf einmal, dass sie sich nie wirklich Gedanken darüber gemacht hat, was denn mit mir los ist und ob es mir vielleicht in Momenten, in denen ich glücklich aussehe, auch wirklich gut geht.

Und genau das ist es, worüber die Blogger diesen Monat aufklären möchten.

  1. Man sieht uns nicht immer an, dass wir unheilbar krank sind.
  2. Aber: Wir werden trotzdem sekündlich daran erinnert. Ob es nun taube Beine beim Einen sind, ein farbenblindes Auge beim Nächsten, nicht aufhörendes Kribbeln bei einem Dritten oder die Fatigue, die wahrscheinlich jeden von uns irgendwie in den Klauen hat.
  3. Jedoch: Ihr müsst uns deswegen nicht mit Samthandschuhen anfassen. Wir sind ja trotzdem noch die selben Menschen, auch, wenn wir jetzt ein klein wenig andere Prioritäten, Ansichten und Gedanken haben. Wichtig ist nur, dass ihr uns nicht anders behandelt. Das soll keineswegs heißen, dass ein erster Schock nicht völlig okay oder nicht verständlich ist. Und dieses Gefühl darf auch gern eine Weile anhalten. Aber es ist auch schön, wenn es wieder vorbei ist und man uns mit den gleichen Augen wie vorher betrachtet.

Das führt mich aber zu einem weiteren Punkt: Auch wenn es mich (zum Glück!!!) nicht betrifft, lese ich immer öfter von MSlern, die durch ihre Bekannten, Verwandten, Kollegen, Freunde oder selbst durch ihre Familie schief angeschaut oder sogar ausgelacht oder aus dem Kreis vertrieben werden, weil sie MS haben. Soweit ich das verstanden habe, geht es dabei darum, dass die Betroffenen öfter Treffen absagen müssen oder einfach nicht so lang bei Veranstaltungen dabei sein können. Ich muss zugeben, dass mir auch ein bis zwei Mal so etwas passiert ist, ich aber schnell die Reißlinie ziehen konnte.
Hiermit verweise ich wieder auf meinen Punkt 1 der Aufzählung. Es kommt bei uns nun einmal vor, dass es uns von einer auf die andere Sekunde schlecht gehen kann.  Oder dass wir an einem Tag das blühende Leben sind und am nächsten Tag nicht einmal dazu in der Lage sind, aufzustehen. Aber das hat absolut nichts damit zu tun, dass wir zu faul sind, keine Lust haben oder simulieren. Nein, das ist einfach das Krankheitsbild!

Ich habe jetzt viel von ‚uns‘ geschrieben und dabei die MSler gemeint. Ich weiß nicht, ob alle meine Meinung teilen, ich kann mir aber vorstellen, dass viele so denken. Falls nicht, entschuldige ich mich hiermit präventiv.

Ein letzter Punkt fehlt noch: Es geht jedem Betroffenen anders. Jeder einzelne hat andere Auswirkungen und auch einen anderen Charakter. Es gibt solche, die die Krankheit für sich behalten (fühl‘ dich gedrückt, F.), solche, die sie einfach verdrängen und dann gibt es Leute wie mich, die kein Problem damit haben, darüber zu reden. Irgendwie fühle ich mich auch indirekt dazu ‚verpflichtet‘, euch eure Fragen zu beantworten.

Anfangs war der Blog nur da, um meinen Kummer wegzuschreiben und einem kleinen Kreis einen Überblick zu schaffen. Doch mit der Zeit hat er sich insofern entwickelt, als dass ich jetzt aufklären und Mut schenken möchte und wie die ganzen anderen wundervollen MS-Blogger zeigen will, dass das Leben weitergeht! Und damit hier nochmals gaaaaaaanz deutlich: Falls ihr mich etwas fragen möchtet, mir auch nur sagen wollt, dass ihr meinen Blog lest (auch wenn wir uns jahrelang nicht oder noch nie gesehen haben) oder mir einfach sagen wollt, dass ihr nicht wisst, was ihr zu der ganzen Situation sagen sollt, dann macht es gern! Ihr wisst, dass ihr bei mir nicht auf taube Ohren stoßt. Und falls mir etwas zu privat ist oder eine Frage zu weit geht, sage ich euch das schon, keine Sorge.

Okay, doch noch ein allerletzter Punkt: Das ist meine Sichtweise heute. Am dritten Mai 2018. Ich weiß nicht, wie es mir in 10 Jahren geht, in 10 Monaten und nicht einmal, ob ich morgen genau so denke wie jetzt. Aber jetzt in diesem Moment genieße ich, dass mein Körper so viel Mist mit mir durchsteht und trotzdem noch nicht das Handtuch geschmissen hat.

Perspektive einer Mutter

Nein, nein, ich bin nicht schwanger! Aber für alle, die mir nicht auf Instagram folgen oder mit mir auf Facebook befreundet sind, teile ich auch hier noch einmal den Link, der heute online gegangen ist.

Es geht um den Blog der Zeitschrift ‚MS Persönlich‘, für die ich ja schon ein Mal einen Beitrag verfassen durfte. Das habe ich dieses Mal auch getan, jedoch: Auch meine Mama hat einen Beitrag geschrieben. Und der ist so gefühlvoll, dass ich ihn mir immer noch nicht durchlesen kann, ohne zu weinen. Aber schaut einfach selber auf die Seite und macht euch ein Bild davon!

https://einblick.ms-persoenlich.de/thema-des-monats/echt-ms-0

Schockstarre

Jedem Menschen passiert der gleiche Fehler. Manchen öfter, manchen seltener: Wir machen uns falsche Hoffnungen, haben falsche Erwartungen. Man nimmt sich immer wieder vor, dass man dieses Mal KEINE Erwartungen hat. Dass man neutral an eine Sache herangeht. Neutral in eine Geschichte, eine Situation hineingeht. Und doch belügt man sich selber – und steckt die Erwartungen zu hoch.

Und ja, auch mir ist das passiert. Wieder mal. Und auch ich wurde enttäuscht.

Doch was bleibt denn, wenn nicht die Hoffnung, dass alles gut wird? Gerade mit solch einer Arschlochkrankheit wie der MS.

Letztendlich klingt das ganze Vorgeplänkel schlimmer, als es in Wirklichkeit ist.
Oder doch nicht?

Mir ging es in den vergangenen Wochen und Monaten einfach zu gut, als dass ich Platz für schlechte Gedanken in meinem Kopf gehabt hätte. Deswegen habe ich auch mehrmals daran gedacht, einen neuen Beitrag zu schreiben, in dem ich euch erzähle, dass ich an manchen Tagen sogar vollkommen (okay, das ist gelogen. Aber sehr oft) vergesse, dass mein Körper sich selbst attackiert.
Doch ich wollte erst auf die Ergebnisse des MRTs warten, um euch zu zeigen, dass es mir nicht nur subjektiv gut geht, sondern dass sich auch auf den Bildern zeigt, dass in den 14 Monaten seit dem letzten Röhrenbesuch alles nur viel besser geworden ist.

BUM!

Und der erste Satz von Kali fühlte sich an wie ein Schlag mitten in die Magengrube: ,,Es sind neue Entzündungsherde zu sehen.“
Kurz sammel ich meine Gedanken und spiele vor, dass ich vollkommen gefasst sei.

BUM!

Auch der nächste Satz macht es nicht besser: ,,Wir müssen somit also leider immer noch von einer aktiven MS sprechen – nicht hochaktiv aber dennoch in Bewegung.“

BUM!

,,Drei bis vier neue Entzündungen wurden festgestellt.“

BUM!

,,Wir müssen leider ernsthaft über einen Wechsel der Medikamente nachdenken.“

Enttäuschung. Wut. Verzweiflung.

Tec hat mich belogen. Verletzt. Ihr Versprechen nicht gehalten, dass sie immer auf meinen Kopf aufpasst. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.

Ich ordne meine Gedanken, während mir Kali erzählt, dass allerdings auch einige alte Herde kleiner geworden sind. Das bringt Hoffnung. Zumindest etwas.

Auf dem Weg mit der Bahn nach Hause fühle ich mich wie damals, am 4. Januar 2017, als ich meine Diagnose bekam. Ich bin alleine. Alleine mit meinen Gedanken, die sich in einem riesigen Wirrwarr zu verknoten scheinen. Warum? Ich fühlte mich doch so so so gut. Habe ich mir nur etwas vorgespielt?

Nein, auch darauf hatte Kali eine Antwort und erklärte mir, dass mein Körper anscheinend gerade meine neuronalen Reserven aufbraucht, die er eigentlich gut und gerne für das Alter gebrauchen könnte.
Scheiße.

Soll ich jetzt den Kopf in den Sand stecken, weil es mir zwar gut geht, die Bilder meines Gehirns aber etwas anderes sagen?

Nein.

Zumindest bin ich nicht die Person dafür. Jedoch spinnen meine Gedanken so ein riesiges Netz, dass ich nicht aufhören kann zu weinen. Selbst Zuhause breche ich in Tränen aus und beginne, mich im Selbstmitleid zu baden.
Doch meine Familie, mein Freund und meine Freunde zeigen sich wie immer von ihrer besten Seite, ziehen mich aus dem Tränenmeer hinaus und öffnen mir die Augen.

Dir geht es gut! Du hast bisher alles geschafft und du wirst es auf dieses Mal schaffen. Gib doch nicht so viel auf diese scheiß Bilder und denkt verdammt nochmal nicht daran, was in 25 Jahren ist, sondern genieße JETZT, dass du dich so wohl in deinem Körper fühlst.

Sie haben ja Recht. Was bringt das ganze Gejammere? Vielleicht sind die Herde auch noch von dem letzten großen Schub im Januar 2017, da das letzte MRT ja VOR diesem gemacht wurde. Man weiß es nicht und ich muss zugeben, dass es mir auch langsam egal ist. [Ja, ihr habt mich wieder beim Lügen erwischt. Egal nicht, aber egaler. (Eine Germanistik-Studentin, die den Komparativ von egal benutzt. Grandios.)]

Es hat vier Tage gedauert, bis ich die Kraft, den Mut und die Motivation gefunden habe, diesen Beitrag zu veröffentlichen und ich habe auch gemerkt, wie ihr alle darauf gewartet habt, zu lesen, was die Ergebnisse zu sagen hatten. Vielen Dank auch für eure Unterstützung; egal ob stiller Leser, Fremder, Bekannter, Freund, Familie, Betroffener oder Nicht-Betroffener.

 

43 Tage…

… ist es her, dass ich hier das letzte Mal etwas geschrieben habe.

43 Tage, in denen unendlich viel und doch nur ein Wenig passiert ist.

Aber nun erstmal von Anfang an:

Mitte Februar (es kommt mir wie eine halbe Ewigkeit vor, wenn ich das hier schreibe) habe ich all meine schriftlichen und mündlichen Prüfungen abgelegt und alle mit einer 2 bestanden. So weit, so gut!

Drei Tage nach meiner letzten Prüfung ging auch schon mein Praktikum bei der BILD Zeitung los. Aufgeregt wie ein kleines Kind am ersten Schultag betrat ich das Großraumbüro und wurde mit offenen Armen und einem großen Lächeln von allen Kollegen begrüßt – das waren sie schließlich für die nächsten fünf Wochen.
Jeden Tag habe ich zu tun gehabt, war meistens draußen, auf Messen, auf der Straße, auf Märkten und habe Leute kennengelernt und interviewt, die ich sonst niemals im Leben getroffen hätte. Ich bin über mich und meine anfängliche Schüchternheit hinausgewachsen und habe jeden Tag größere Fortschritte in der eigenen Entwicklung gemacht.
Ich konnte zwar nicht zum Sport gehen und war in dieser Zeit auch nur drei mal bei der Physiotherapie, konnte das aber akzeptieren, da ich am Tag bis zu acht Kilometer durch die Gegend gelaufen bin.

Schon Monate vor dem Beginn des Praktikums habe ich mir Gedanken gemacht, ob ich das alles schaffe. Da ich gleichzeitig noch eine Hausarbeit in Literaturwissenschaften schreiben musste, jeden Tag von 9:30 bis 18:00 Uhr arbeiten war und am Ende des Praktikums die Buchmesse anstand (bei der ich für die Uni als Prüfungsleistung Rezensionen zu Lesungen schreiben musste), hatte ich wirklich großen Bammel.

Aber gerade in solchen Momenten, bei denen man sich am meisten Gedanken macht, wird alles gut.

Ich habe meine Hausarbeit immer morgens vor der Arbeit geschrieben und konnte sie schon zehn Tage vor dem eigentlich Abgabetermin einreichen (Ob’s gut geworden ist, weiß ich erst, wenn ich eine Note habe. Also bitte erst einmal nur eingeschränkt euphorisch sein!).
Ich bin jeden Tag mit riesiger Vorfreude zum Praktikum gegangen, die in den meisten Fällen auch völlig berechtigt war und mir schöne Geschichten beschert hat. Das beste Erlebnis war allerdings, dass ich meine Lieblingsautorin Jojo Moyes am Bahnhof abfangen durfte und ein Foto mit ihr und ein Autogramm bekommen habe!
Ich habe trotz des ganzes Stresses keinerlei verstärkte Beschwerden meiner Bratwurst gehabt (Nimm das, du doofe Kuh!)
Und ich habe auch die Buchmesse überlebt, habe meine Rezensionen für die Uni alle rechtzeitig abgegeben und wurde nicht totgetrampelt.
(Wer mein Geschriebsel zu sehr vermisst hat, kann hier gerne noch mehr von mir lesen:
http://www.leipziglauscht.de/cartoons-fuer-die-eliten-unseres-landes/

http://www.leipziglauscht.de/eine-lesung-die-zur-grundsatzdiskussion-wurde/

http://www.leipziglauscht.de/geschichte-eines-jungen-vom-lande/

Es tut mir unendlich leid, dass ich so lange nichts von mir hören lassen habe. Ich vertraue euch aber, dass ihr mir das verzeiht, wenn ihr jetzt gelesen habt, was ich so in den letzten 43 Tagen zu tun hatte.

Gestern war ich dann zum Kontroll-MRT, da meine Freundin Tec mich ja nun schon seit einem ganzen Jahr begleitet und man schauen muss, ob sie auch das tut, wofür ich sie angestellt habe und bezahle. Die Ergebnisse kommen innerhalb der nächsten zwei Wochen (und ihr wisst ja, wie geduldig ich bin…).

Morgen geht’s noch zum Augenarzt und dann habe ich meine Arzttermine durch, kann die letzten drei Wochen Semesterferien noch genießen und hier wieder mehr von mir hören lassen.

Ich hoffe, dass es euch allen so gut geht wie mir im Moment. ich könnte Bäume ausreißen! (Nein, Mama und Papa, das ist kein Angebot für euren Garten!)

Das Loch, in dem schon viele saßen

Was, wenn ich auf einmal nicht mehr die Person bin, um die man sich Sorgen machen muss?

Was, wenn es jemanden gibt, der einem sehr nahe steht und der gerade in das selbe tiefe Loch gefallen ist, in dem ich vor knapp einem Jahr hockte?

Was, wenn das Werfen einer Leine nicht hilft, weil der Gefangene es nicht zu greifen bekommt?

Ist dann.. Also ist dann geteiltes Leid nicht doppelt scheiße?
Warum heißt es denn dann, dass geteiltes Leid halbes Leid ist?

Jeder hat seinen Rucksack zu tragen. Bei vielen ist er leichter als bei mir aber bei ebenso vielen auch doppelt so schwer. Reicht es dann nicht, wenn ich den schwersten Rucksack in meinem näheren Umfeld trage? Ist das etwa zu viel verlangt?

Viele meiner Freunde haben nach meiner Diagnose gesagt, sie würden mir die Last gerne abnehmen. Jedoch habe ich immer die selbe Antwort gegeben:

Nein, das wünscht man niemandem. Und es ist erträglicher für mich, wenn ich unheilbar krank bin als wenn es jemanden meiner Freunde oder meiner Familie erwischt.

Und es stimmt: Ich bin damit klargekommen. Ich habe die Hilfe der Anderen mit Handkuss angenommen, insofern sie mir helfen konnten. Ich habe mich den anderen gegenüber offenbart und gelernt, das Ganze mit einem Lächeln hinzunehmen. Na und? Dann ist es halt so. Es haben schon so viele andere geschafft, gut damit umzugehen. Dann werde ich das doch wohl auch schaffen!

Doch was, wenn das Schicksal kommt und der Meinung ist, die Rollen zu vertauschen?

Dann stehe ich auf der Seite, auf welcher ich helfen will, es aber nicht kann.
Und dann weiß ich, wie unerträglich schmerzhaft es damals für meine Familie und meine Freunde gewesen sein muss. Und es zerreißt mir das Herz, dass ich ihnen Leid bereitet habe und es an schlimmen Tagen sicherlich noch tue. Weil sie nicht wissen, wie sie mir helfen können.

 

Nichts dafür tun zu können, dass es dem besten Freund besser geht, ist eines der schlimmsten Dinge, die ich mir vorstellen kann. Ich kann nur für ihn da sein und ihm gut zureden.

Hey, ich hab’s auch auf dem Loch geschafft!
Nimm das Seil und komm wieder hoch zu mir.
Ich weiß, dass du es kannst!

glückliche Neurologin = glückliche Swenja

Nach dem letzten Schub im November war heute mein erster offizieller Termin bei Kali im neuen Jahr.
Vorbildlich schrieb ich in den vergangenen Wochen eine Liste, was ich sie alles fragen möchte.

So war es letztendlich eine Ansammlung von 14 Stichpunkten (neue Rezepte, Fragen zu meinen Blutwerten, Infos über meinen Schwerbehindertenstatus etc.), die ich bei ihr abarbeitete.

Wie immer wurde sich unglaublich viel Zeit für mich genommen, obwohl die Praxis heute aus allen Nähten platzte. Bevor ich zu ihr durfte, hatte ich allerdings noch etwas schönes vor mir:

VEP. Jeder Betroffene kennt das Gefühl, wenn einem die ekelhafte Kleberpaste auf den Kopf geschmiert wird, nachdem die Kopfhaut 2 Minuten lang mit dem wohl gröbsten Schmirgelpapier der Welt massakriert wurde. „Das ist, damit die Elektroden auf ihrer Kopfhaut besser halten.“ Jaja, ich weiß, wozu das da ist. Es tut trotzdem weh und sieht danach unendlich blöd aus. „Ach, sehen Sie, auf Ihren blonden Haaren fällt das gar nicht auf!“ Hm, danke. Jetzt fühle ich mich besser..

Das Schachbrettmuster bewegt sich hin und her und ich versuche, das rote Kreuz deutlich im Blick zu behalten. Ich habe das Gefühl, dass das eindeutig besser klappt als die vorherigen Male.

Endlich in Kalis Zimmer angekommen, freut sie sich überschwänglich über meine Fortschritte, mein Aussehen, das gerade Gehen und eigentlich über jedes einzelne Wort, das ich sage. Ich freue mich gleich mit und weiß eigentlich gar nicht, wieso. Aber ich bin glücklich.

Sie sagt, dass alle meine Blutwerte perfekt seien, dass das VEP super Ergebnisse hat und sie allgemein sehr zufrieden mit mir und meinem Zustand sei. Insgesamt 30 Minuten quatschen wir über Gott und die Welt und natürlich auch über die MS. Ich solle unbedingt Walnusskernöl benutzen und Hanföl sei auch sehr gut (habe ihr dann auch erzählt, dass ich das seit 2-3 Monaten täglich gegen die Fatigue nehme. ihre Reaktion: riesige Begeisterung darüber.)

Ich verlasse die Praxis mit einem neuen Rezept für Levi, einem neuen Rezept für die Physiotherapie (über deren Erfolge sie sich auch riesig freut), einer Überweisung zum MRT im März und einem breiten Lächeln.

Ihre MS ist in der Stabilisierungsphase. Der Fakt, dass Sie jetzt im Januar, wo es so viele trifft, keinen Schub haben, zeigt uns, dass ihre MS gerade am Stabilisieren ist. Ich bin so gespannt auf das MRT!

Und ich erst.

Stress, den keiner braucht

Vorlesungen in der Uni ausfallen lassen, um Zuhause für die Uni zu lernen?
Hm, klingt zugegebenermaßen ziemlich schräg, ist hier aber leider gerade der Fall.

Man nimmt sich am Beginn des Semesters immer vor, alles wöchentlich nachzuarbeiten, damit man zur Prüfungsphase ’nur‘ noch lernen und nichts zusammenfassen muss. Und wie immer passiert folgendes: In 3 Wochen sind Prüfungen und ich sitze seit 4 Stunden am Laptop (was meinen Augen übrigens überhaupt nicht gefällt) und versuche, den Stoff der letzten 12 Wochen nachzuarbeiten.

Dieser Prüfungsstress, der schon seit ein paar Tagen auf mich wirkt (obwohl die Prüfungen ‚erst‘ in 3 Wochen sind) bringt mich dazu, Dinge zu tun, die ich sonst niemals machen würde.
Heute habe ich zum Beispiel freiwillig meine Serie ausfallen lassen, um an meiner Zusammenfassung zu arbeiten. Ja, ich war nicht mal im Fitnessstudio!

Mein Zeitmanagement ist also definitiv noch ausbaufähig. Wobei ich auch zugeben muss, dass ich für meine Prüfungen fürs Abi knappe 2 Wochen (allerhöchstens) vorher begonnen habe, mir den Stoff anzugucken. Vielleicht bin ich also doch organisierter als gedacht. Oder zumindest organisierter als vor 5 Jahren.

Und so kommt es auch zustande, dass ich meinen Blog nicht mehr regelmäßig füttere.

Asche über mein Haupt!

Ich kann nur soviel sagen: Mir geht es gut genug, als dass ich nicht täglich an die MS denke. Ich habe viel zu tun und das gefällt mir auch, weil es ein geregelter Tagesablauf ist und ihr wisst, dass ich so etwas sehr schätze. Und das Beste:
Ich war heute beim Urologen, da ich den Verdacht auf eine MS-bedingte Blasenentleerungsstörung hatte – ein Symptom, was viele MSler haben, worüber allerdings (selbst im Jahr 2018) nur hinter vorgehaltener Hand geredet wird. Und sehet da: Es ist alles okay!!!!! Keine Störung vorhanden, lediglich Missempfindungen, die aber nicht behandelt werden müssen. Ich habe mir ehrlich gesagt schon das Schlimmste ausgemalt und bin unendlich froh, dass alles gut ist.

In einer Woche geht es wieder zu Kali und zum VEP – um zu schauen, ob denn meine Sehstörungen vom letzten Schub komplett verschwunden sind. Drückt mir die Daumen!