365.

04.01.2017

Herzklopfen. Es wird schneller, immer schneller. Ich merke, wie schweißnass meine Hände sind. Bloß nicht weinen, Swenja. Bloß nicht schwach werden. Scheiße, jetzt passiert es doch. Reiß dich zusammen, du bist doch ein starkes Mädchen. Okay, ich kann es nicht mehr halten. Wie peinlich das ist. Jetzt noch im Wartezimmer deine Jacke holen. Alle starren dich an. ,,Auf Wiedersehen.“ Ich denke mir dabei, dass ich ja nun öfter hier sein werde. Die ganze Straßenbahnfahrt Tränen in den Augen. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Wie soll es jetzt weitergehen? Lande ich sofort im Rollstuhl? Was macht diese Krankheit mit mir? Warum gerade jetzt? Jetzt, wo du bald für 6 Wochen nach England willst. Jetzt, wo in einem Monat deine ersten Prüfungen in der Uni sind. Okay, noch eine Haltestelle und du bist bei der Radiologie. Ein MRT vom Kopf, das wird schon nicht so schlimm sein, einen Termin zu machen. Hör auf zu heulen, du musst gleich mit der Dame am Empfang reden. Ich lege ihr die Überweisung hin, sie schaut in mein Gesicht und gibt mir einen Termin in 3 Tagen. Ich sehe ihr ihr Mitleid förmlich an. Jetzt endlich nach Hause, nur in die Arme deines Freundes. Die Blicke der Mitfahrer stechen mir direkt ins Herz. Sie denken sicherlich, dass ich gerade verlassen wurde oder jemand gestorben ist. Wenn die wüssten…

04.01.2018

Herzklopfen. Es wird schneller, immer schneller. Ich merke, wie schweißnass meine Hände sind. Bloß nicht an Wasser denken, Swenja. Bloß nicht schwach werden. Scheiße, jetzt passiert es doch. Lauf ein bisschen schneller, Swenja. Die Toilette ist am anderen Ende der Praxis. Okay, zum Glück kann ich es halten. Das wäre peinlich geworden. Puh. Wo kommen diese ganzen Menschen her? Entschuldigung, darf ich mal kurz? Okay, dann nicht. 45 Minuten warte ich schon. Immer mehr Menschen betreten Kalis Praxis, die ich allmählich in- und auswendig kenne.
Dort sieht man zwei junge Damen bei der Infusion – trotz Schub sind sie wirklich gut gelaunt. Und da ist noch jemand, der so aussieht, als hätte er MS. Er starrt wissend auf die Schleife auf meinem Tattoo und lächelt. Ha, wusste ich es doch! Uiuiui. Das erste Mal im Leben wird meine Vene in der Armbeuge beim ersten Stich getroffen. Tschaka, heute wird ein guter Tag!  Langsam aber bestimmt nehme ich die Treppe auf dem Weg aus der achten Etage nach unten. Meine Hand gleitet langsam über das Geländer, berührt es aber nicht. Ich komme auch ohne heile unten an.

365 Tage liegen zwischen diesen zwei Erzählungen. Mein Wunsch ist es, dass ich in den folgenden Jahren auch so positiv berichten kann. Vielleicht wird es ja zur Tradition, die Praxis an jedem vierten Januar zu besuchen und als Geschenk ein wenig Blut dortzulassen? Hm, ich werde es mir überlegen.

2017.

Nun sind wird schon am Ende des Jahres angekommen und dieses Jahr ist unglaublich schnell vergangen. Schon stellen mein Freund und ich uns wie jedes Jahr die Frage:

Was genau ist eigentlich in diesem Jahr passiert?

Ende des letztens Jahres konnten wir uns an kaum etwas Nennenswertes erinnern, obwohl ich 2016 meine Ausbildung beendet, mein Auto verkauft, wir die Katzen weggegeben haben und in Berlin waren.
Aber trotz all diesen Punkten sind wir vor gut einem Jahr zu dem Ergebnis gekommen, das nichts davon wirklich groß, wichtig oder erinnerungswürdig war.

Ich habe mich sofort gefragt, warum das so ist.

Zum Ende diesen Jahres glaube ich, die Erklärung dafür gefunden zu haben: wir hatten alles, was das Herz begehrt und was wir haben wollten. Trotz vieler negativer Erinnerungen an 2016 hatten wir am Ende des Jahres uns und Gesundheit (wobei ihr wisst, dass das Jahr 2016 auch schon von der MS geprägt war). Wir haben einfach so vor uns hingelebt; Tag ein – Tag aus. Jeden Tag zur Arbeit, am Ende des Jahres jeden Tag zur Uni. Jeden Tag der selbe Tagesablauf und alles bis in die letzte Sekunde geplant.

04.01.2017

Und schon ist es fast ein ganzes Jahr her, als ich Kali kennenlernte – die beste Neurologin, die ich hätte bekommen können. (Ich glaube eigentlich nicht so sehr an Schicksal, doch das muss es definitiv gewesen sein!) Am Anfang dieses Tages war mir nicht bewusst, dass ich jemanden kennenlerne, der mir auf einem sehr schweren Weg unter den Arm greifen wird und mir den Weg zeigen wird. Wer hätte denn auch gedacht, dass gerade MICH so etwas treffen könne?

Das passiert doch nur bei anderen Menschen, mich trifft so etwas nicht.

Ganz ganz schnell habe ich gemerkt, dass ich die wohl besten Wegbegleiter an meiner Seite habe – meine Familie, meinen Freund, meine langjährigen Freunde und selbst die erst neu kennengelernten Kommilitoninnen hielten mich fest, als ich zu fallen drohte. Auch hier sage ich nochmal mit Tränen in den Augen DANKE an euch – ihr wisst genau, dass ihr gemeint seid!

Ich fing unbewusst an, das Leben mit anderen Augen zu sehen. Anfangs war die ganze Welt etwas benebelt, da ich kaum wusste, wie ich mit mir umzugehen habe. Wie ich mit der MS umzugehen habe. Und wie ich das alles schaffen soll..

Die Reha im März hat mein Sichtfeld klarer gemacht, ich habe unglaublich tolle, aufmunternde und lebensfrohe Menschen kennenlernen dürfen (Susi und Heike, ihr habt noch immer meinen tiefsten Dank) und gelernt, dass es die Krankheit am meisten stört, wenn ich ihr den Kampf ansage!

Jetzt, Ende Dezember, kann ich sagen, dass das Jahr 2017 ein gutes war. Zwar habe ich wohl den größten Schlag gleich am Anfang des Jahres mitten ins Gesicht bekommen, jedoch habe ich gelernt, wie ich zurückschlage. Ich habe den Sport lieben gelernt und gemerkt, wie sehr ich ihn brauche, um so (physisch und auch psychisch) stark zu bleiben, wie ich es jetzt bin. Ich habe unglaublich viele Freunde dazugewonnen und viele Freundschaften stärken können. Ich habe eine Community von Gleichgesinnten, sehr starken Persönlichkeiten, entdeckt, die sich jeden Tag aufmuntern oder sich mit dir über etwas ärgern. Die wichtigste Erkenntnis ist allerdings diese:

Ich habe nur ein einziges Leben. Trotz meiner Krankheit muss und werde ich das Beste aus mir herausholen und mich nicht von Rückschlägen kleinkriegen lassen. Nicht die MS bestimmt mein Leben. sondern ich die MS.
Jeden einzelnen Tag aufs Neue!

Neuigkeiten!

Ich habe das Gefühl, dass ich euch in letzter Zeit nur noch überrasche. Ich mag es mehr, wenn ich euch erst Dinge erzähle, wenn sie in Sack und Tüten sind, anstatt die Hunde heiß zu machen mit der Gefahr, dass es doch nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt hatte. Das passiert ja leider öfters – besonders mit einer unberechenbaren Krankheit!

Erste neue Information: Ich habe meinen ersten offiziellen Beitrag veröffentlicht bzw. wurde er von der Rubrik Einblick der Zeitschrift MS persönlich veröffentlicht. Ich habe ihn schon im August geschrieben und mit dem neuen Monatsthema „Achtsamkeit“ wurde er im Dezember veröffentlicht.
Wenn ihr möchtet, könnt ihr euch den Beitrag gerne unter dem unten angegebenen Link anschauen. Werft auch unbedingt einen Blick in die Beiträge der anderen wunderbaren Autoren!

https://einblick.ms-persoenlich.de/artikel/muss-ich-jetzt-alles-aendern-oder-reicht-es-wenn-ich-etwas-achtsamer-bin

Zweite Neuigkeit: Ich habe einen Antrag auf Zuzahlungsbefreiung gestellt. Dazu musste ich mir eine Bescheinigung von Kali holen, auf der steht, dass ich eine schwerwiegende chronische Erkrankung habe und das Ende der Behandlung nicht vorauszusehen ist. (Ob es das jemals sein wird?) Da ja meine Physiotherapie mich nun für eine sehr sehr lange Zeit und eventuell auch über Jahrzehnte begleiten wird, habe ich mich zu diesem Schritt entschieden. Eingereicht werden können jegliche Zuzahlungen von Medikamenten, Behandlungen (wie z.B. der Physiotherapie) und Krankenhaus- oder Reha-Aufenthalten. Drückt mir die Daumen, dass alles funktioniert. Denn als Student (und sicherlich auch allgemein) geht sowas mit der Zeit wirklich sehr aufs Geld.

Dritter und wichtigster Punkt: Ich habe gestern einen Brief vom Sozialamt in Leipzig bekommen.
Wie ihr wisst, habe ich vor 1 1/2 bis 2 Monaten einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt. Mir wurde in der Reha damals von vielen lieben Leuten gut zugeredet, dass ich es versuchen soll und dass es eigentlich nur Vorteile bringt und man somit den anderen „beweisen“ kann, dass man schwerkrank ist, auch, wenn man es einem nicht ansieht. Meistens ist es bei Erkrankten an Multiple Sklerose so, dass sie, je nach Beschwerden/Einschränkungen einen Grad der Behinderung (GdB) von 30-40 bekommen und dann einen Widerspruch einlegen müssen auf Gleichstellung. ich habe im vornherein von so vielen Beispielen gehört, wo man bis zu einem halben Jahr auf die Bearbeitung gewartet hat. Ich habe mich also auf das Schlimmste, auf einen langwierigen Kampf, eingestellt. Gestern kam nun der Brief
Der Antrag wurde bewilligt. Als ich weiterlas, musste ich ungewollt aufschreien.

Swenni, was ist los?

60. In Worten: Sechzig.

Ich hab es nicht glauben können, jedoch wurde mir schon beim Erstantrag ein GdB von 60 zugeteilt. Das ist wirklich viel mehr, als ich erwartet hatte!
Folgende drei Einschränkungen haben zu diesem Entschluss geführt.
1. Anfallsleiden (meine Epilepsie)
2. organische Nervenschäden
3. Sehminderung beidseitig

Dieser GdB ist mir jetzt bis Juli 2020 befristet zugeteilt. In 2 1/2 Jahren wird geprüft, inwiefern sich der Punkt „Anfallsleiden“ geändert/gebessert hat. Doch bis dahin habe ich einen Schwerbehindertengrad von 60. Auch, wenn ich es ziemlich erschreckend finde, dass ich mit 22 Jahren schon schwerbehindert bin, bin ich unendlich froh, dass es so schnell und unkompliziert geklappt hat und ich positiv in die Zukunft schauen kann.

Auch, wenn ich jetzt offiziell behindert bin, kann ich unendlich froh sein, dass es mich nicht schlimmer getroffen hat, dass ich von keiner tödlichen Erkrankung betroffen bin, bisher noch gut auf meinen Beinen stehe, noch sehen kann und mein Leben trotz Einschränkungen vollständig und in vollen Zügen genießen kann. Es ist wirklich wichtig, sich auf die positiven Seiten zu konzentrieren.
Und davon gibt es so unendlich viele!

PS: Mit den Vorteilen, die mir dieser Bescheid (besonders als Student) bringt, muss ich mich erst einmal auseinandersetzen. Aber falls ein treuer Leser hier auch einen GdB hat und mir Tipps oder Hinweise geben kann, kann er mir gerne per Facebook, Instagram oder gern auch hier als Kommentar schreiben. Ich würde mich riesig freuen!

Niemals ein Opfer – immer ein Kämpfer.

Wie ihr sehen könnt, ist mein Unterarm seit gestern mit einem neuen Schmuckstück verziert. Und nein, die Schleife ist nicht rot und steht für AIDS, sondern sie ist orange und steht für die MS. Da dieses Foto allerdings direkt nach dem Stechen entstanden ist, ist natürlich alles noch sehr gerötet.

Es tat nicht so sehr weh, wie ich es in Erinnerung hatte von den anderen Tattoos und ich bin wirklich begeistert, wie schön es geworden ist!

Der Anker steht dafür, dass ich standhaft bleibe und mich von dieser Krankheit nicht völlig einschränken lasse. Natürlich muss ich mehr auf meinen Körper hören und mehr darauf achten, was ich mache und wie ich mir meine Kraft einteile. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass man seinen Lebensmut verliert, oder?

Ich war am Donnerstag bei Kali zur Kontrolle, da der Schub da genau zwei Wochen vergangen war. Und wisst ihr, was das Ergebnis war?
Die Sehkraft auf dem rechten, schlechten Auge, ist von 50 % auf 80 % gestiegen! Ich hatte schon gemerkt, dass ich anscheinend besser lesen kann, aber das so direkt und objektiv nochmal zu hören, hat mein Herz viel höher schlagen lassen! Das Kontrastsehen und die Rotsättigung sind zwar noch nicht wieder da, jedoch dauert das immer etwas länger. Im Januar soll ich dann wieder hin, um ein neues VEP machen zu lassen. Ich bin gespannt! Und im März geht es dann zum jährlichen MRT, um zu schauen, was Tec verhindern konnte – bzw. was sie nicht verhindern konnte…

Der Termin hatte allerdings auch einen bitteren Beigeschmack: Die MS hat sich auch auf meine Blase geschlagen und somit musste ich einen Termin beim Urologen machen.

Ich habe mich wie ein Eindringling gefühlt!

Der Altersdurchschnitt in der Praxis war deutlich höher als der in meiner Heimatstadt (die bemerkenswerterweise den höchsten Altersdurchschnitt Deutschlands hat..). Lauter alte Leute schauten mich an, als hätte ich ihr Territorium betreten und sollte doch schnellstmöglich wieder aus ihrem Reich verschwinden. Ich habe zum Glück schon einen Termin im Januar bekommen und bin gespannt, was dabei rumkommt. Falls jemand genauere Fragen hat, kann er mir gerne schreiben, ich möchte dieses Thema nur ungern so breittreten – ich hoffe, ihr versteht mich.

Nun muss ich schauen, wie die nächsten Wochen werden, da ich von meiner Tätowiererin eigentlich verboten bekommen habe, innerhalb der nächsten zwei Wochen Sport zu machen. Allerdings wisst ihr ja, wie schnell sich bei mir besonders die Beinkraft zurückbildet und das möchte ich natürlich gerne vermeiden. Ich bin in einem Gewissenskonflikt, den ich hoffentlich bald mit mir selber klären kann.

Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, dass ich euch hier in letzter Zeit so wenig auf dem Laufenden halte, doch es ist natürlich etwas stressig im Moment, wie ihr euch vorstellen könnt. Bitte seid mir nicht böse. Ich versuche, auf Instagram möglichst aktiv für euch zu sein.

Bleibt gesund und habt einen schönen ersten Advent!

Falscher Stolz und (bisher) wirkungsloses Gift

Ich muss dir was sagen.. Etwas, was ich dir, meinen Eltern und auch allen anderen in den letzten zwei Wochen verschwiegen habe.

Schon in meinem Gesichtsausdruck hatte er erkannt, dass irgendetwas nicht mit mir stimmt. Dass meine Augen glasig aussehen, hatte er gesagt. Und was denn los sei.

Ich wollte nicht wegen jedes kleinen Wehwehchens zu Kali rennen und dort meine Zeit versitzen. Ich wollte weder meinen Freund, noch sonstjemanden verrückt machen. Ich wollte einfach nicht, dass sich irgendjemand, ich inbegriffen, unnötig Sorgen macht.

Seit zwei Wochen hatte ich gemerkt, dass meine Augen wieder schlechter werden. Besonders in diesem einen Seminar, was in einem sehr langgezogenen Raum stattfindet, rutschte ich von Woche zu Woche eine Reihe weiter nach vorne und konnte am Ende trotzdem nicht einmal halbwegs erahnen, was an die Wand projiziert wird. Und doch hatte ich mich gegen den Besuch beim Neurologen entscheiden. Einfach nur, weil es mir, wie ich euch ja am 10.11. berichtete, allgemein viel zu gut ging, als dass ein Schub in meinen Plan gepasst hätte.

Jetzt sitze ich hier, gerade wieder den zweiten Tag in der Uni, vor meinem Laptop und habe den Zoom sehr hoch gestellt und muss trotzdem sehr nahe an den Bildschirm gehen, um zu erkennen, was ich schreibe. Entschuldigt also eventuelle Fehler.

Na, Frau Brauer. Ist Schubwetter, hm?

Kali machte Untersuchungen und stellte fest, dass besonders mein rechtes Auge wieder einen ordentlichen Schlag abbekommen hat. Natürlich wurde wieder ein VEP gemacht, viel ekliger Kleber auf meiner Kopfhaut verteilt und es war alles sofort klar.

Schub. Wieder. Trotz Tec. Stoßtherapie. 3 Tage Kortisoninfusion.

Gleich nach allen Tests wurde ich an die Infusion geschlossen, was sich dieses Mal schwieriger gestaltete, da die Schwester meine Vene erst nicht traf und somit das ganze Gift in mein Gewebe lief, mein Unterarm dick wurde und höllisch wehtat. Kali kam schnell zur Hilfe und zapfte eine Vene am Handrücken an. Autsch.

Die erste Nacht war schrecklich. Ich konnte kaum schlafen, war laufend wach, hatte einen Wechsel aus Schweißausbrüchen und Schüttelfrost und wollte einfach nur, dass alles aufhört.

Nach zwei weiteren Infusionen war ich durch. Kali hatte überlegt, es auf 5 Tage auszuweiten, da ich auch nach der letzten Infusion keine Besserung „sehen! konnte, entschied sich aber dagegen, da es, wie auch im Januar, schrecklich auf meinen Magen schlug.
Trotz magensaftresistenter Tabletten hatte ich durchgängig Magenschmerzen und habe fast nichts zu mir genommen – schmeckte durch das Kortison eh alles nach Metall.

Quintessenz des Ganzes:

  • Ich sehe immer noch nicht besser.
  • Ich muss geduldig sein. Das sagen mir zumindest alle.
  • Im April ziehen wir Bilanz, was wir wegen der Tabletten machen – ob sie ihren Sinn erfüllen oder nicht.
  • Ich bin wieder in der Uni, aber noch nicht wirklich wieder richtig auf dem Damm.
  • Ich bin bodenlos enttäuscht von meiner „Freundin“ Tec. 

Wir schaffen das schon, Swenni.

Tun wir das?

So schnell kann’s gehen

Eine kurze Info an euch: ich habe leider wieder einen Schub und habe heute schon die zweite Kortisoninfusion hinter mir. Leider geht’s mir nicht so gut und ich melde mich genauer bei euch, sobald ich wieder auf dem Damm bin..

Schriftstellerkarriere?

Was ist dein liebstes Wort der deutschen Sprache?
Eichhörnchen.
Und wieso dieses? Gibt es eine Geschichte dazu?
Wir haben Zehn Jahre lang Austauschschüler bei uns gehabt, welche aus der ganzen Welt zu uns kamen. Und wir haben gemerkt, dass besonders das Wort „Eichhörnchen“ schwierig auszusprechen ist.

So lautete vor einigen Tagen ein Gespräch in einem Germanistik-Modul in der Uni. Natürlich hatte ich eine bestimmte Austauschschülerin im Hinterkopf, deren Aussprachen dieses Wortes das wohl Niedlichste war, was man jemals gehört hat.

Als wäre es Gedankenübertragung gewesen, erreichte mich gestern ein Päckchen aus Italien. MIr war sofort klar, dass es nur von ihr kommen kann. Ich riss es sofort auf und fand ein kleines türkises Buch und einen Stift darin. Auf der ersten Seite stand:

Triest, 11.10.2017

Alles Gute zum Geburtstag, Schwesterchen!
Ich wünsche dir viel Glück, Erfolg und Liebe.
Für meine zukünftige Schriftstellerin ein kleines Heft, sodass du deine Gedanken und Ideen aufschreiben kannst.
Ich hab dich ganz dolle lieb.

Deine ღღღღღ ❤

Ich hatte in den letzten zwei Wochen wirklich viel zu tun, wie ihr sicherlich daran gemerkt habt, dass ich nichts neues hab von mir hören lassen.

  • ein Modul, in dem ich wöchentlich circa 10 Seiten ausarbeiten muss
  • ein Modul, in dem ich wöchentlich circa 30 Seiten lesen muss
  • ein Modul, in dem ich für den Blog verantwortlich bin und vieles einpflegen und verbessern muss
  • montags und freitags Physiotherapie
  • montags und freitags oder samstags Fitnessstudio
  • am besten meine Serie täglich irgendwie nachschauen, wenn sich Zeit findet
  • mit den Eltern telefonieren
  • Weihnachten und Geschenke planen
  • Zeit für meinen Freund finden, um ihm von allem zu erzählen
  • und dann sind da noch diese ganzen ungelesenen Bücher, die ich mir gekauft haben und die mich jetzt vorwurfsvoll anschauen…

Ich bin so unendlich froh, dass ich behaupten kann, dass es mir im Moment so gut geht, dass ich das alles nicht als Stress empfinde, sondern, dass es mir Freude bereitet, Auch, wenn ich abends total kaputt gegen um Sieben oder Acht von der Uni heim komme, habe ich ein gutes Gefühl im Bauch (was nicht ausschließlich vom Essen stammt).

Weiterhin habe ich gestern die Zusage eine sehr sehr großen Zeitung erhalten, dass ich nächstes Frühjahr in den Semesterferien ein fünfwöchiges Praktikum absolvieren darf und wahrscheinlich habe ich auch im nächsten Monat gute Nachrichten zu verkünden, was meine „Schriftstellerkarriere“ betrifft, wie es ღღღღღ sagen würde – also seid gespannt!

Gesundheitlich geht es mir ansonsten recht gut. Ich habe lediglich starke Probleme, was das Sehen betrifft und dieses Uthoff-Phänomen bringt mich noch auf die Palme. Ich brauche wirklich nach einer weiteren gelaufenen Strecke eine Pause von 3-5 Minuten, bis ich wieder gut sehen kann. Mitte Dezember habe ich wieder einen Termin bei Kali und dann werden wir sehen, was sie sagt.

Wenn die nächsten Wochen so vollgepackt weitergehen, seid mir nicht böse, wenn ich nichts von mir hören lasse. Ich gehe dann wahrscheinlich fremd und pflege den Blog der Uni statt meinem eigenen.

PS: ICH BIN AM MONTAG BEI DER PHYSIOTHERAPIE TRAMPOLIN GESPRUNGEN!!! ICH HÄTTE NIEMALS GEDACHT, DASS ICH MEINE BEINE JEMALS WIEDER GLEICHZEITIG VOM BODEN ENTFERNEN KANN.

PPS: Ich bin zwar dann auf dem Nachhauseweg hingefallen, aber das war es wert.

Fortschritte und Rückschläge

Seit die MS bei mir nicht nur zu Besuch ist, sondern auch dauerhaft in meinem Kopf wohnt, ist mein Alltag von unvorhersehbaren Ereignissen und nicht planbaren Dingen geprägt.

Ich führe meinen Terminkalender eigentlich strikt und genau. Das Problem ist nur, dass meine Bratwurst mir ab und zu einen Strich durch die Rechnung macht, mich mit ungeheuren Bauchschmerzen oder sonstigen Wehwehchen straft und ich somit meine Pläne etwas anders schmieden muss. Ich gebe zu, dass mir das schwer fällt aber auch, dass ich mich nach nun einem guten dreiviertel Jahr allmählich daran gewöhnt habe.
So wird nämlich auch mal ein Tag, an dem man nichts geplant hatte zu einem der Produktivsten in der Woche.

So war es beispielsweise Donnerstag. Ungeplant bin ich mit drei Freunden ins Fitnessstudio gegangen und habe alles gegeben. Eigentlich dachte ich, dass ich nach so einer Anstrengung fix und fertig bin, wie es sonst schon allein vom Bettbeziehen der Fall war.

Aber: nein!

Zuhause habe ich vor lauter Elan begonnen, die Wohnung zu putzen, Wäsche zu waschen, einen Speiseplan für die nächste Woche zusammenzustellen etc. Ich hatte schon völlig vergessen, dass in mir ab und zu noch solche Kräfte wohnen, die anscheinend mit Hilfe des Sports aus mir herausgekitzelt werden wollen und müssen.
Und so kann es gerne weitergehen, denn es gab diese Woche auch Rückschläge.

Bei der Physiotherapie am Montag mussten meine Therapeutin und ich kläglich feststellen, dass von dem, in der Reha erworbenen, Gleichgewichtssinn dank meiner monatelangen Pause nicht mehr viel übrig geblieben ist. Da ich meinen Termin am Freitag auch noch absagen musste, geht es also morgen damit weiter, mich irgendwie standhaft zu machen.

Weiterhin habe ich beschlossen, bei Instagram einen neuen Account zu eröffnen, der sich nur um mich und meine Bratwurst dreht. Somit gehe ich denen nicht auf die Nerven, die davon vielleicht gar nichts lesen wollen und andererseits kann ich euch somit immer auf dem Laufenden halten.

Auch, wenn ich nicht so viel Zeit habe, einen neuen Beitrag im Blog zu verfassen.

 

Eine Woche im Zeichen des Sports

Um ein Resümee aus dieser Woche zu ziehen: Ich habe seit gefühlt einem Jahr nicht mehr so viel Bewegung gehabt wie in den letzten sieben Tagen.

Am Montag bin ich, wie ich euch im letzten Beitrag versprochen hatte, das erste Mal mit meinem besten Freund ins Fitnessstudio gegangen, wo ich zwar schon seit Juli angemeldet bin, jedoch noch nie wirklich ernsthaft einen Fuß hineingesetzt habe.
Da ich ja noch keinen Trainingsplan hatte, habe ich einfach die Geräte benutzt, die ich aus der Reha und meiner IRENA schon kannte – Laufband, Beinpresse und welch utopischen Namen die Dinger sonst noch so haben.
Ich muss zugeben, dass ich deutlich gemerkt habe, wie schwach ich geworden bin. Was ich an Gewicht in der Reha noch mit meinen Beinen weggedrückt habe, hat mich jetzt fast zum Aufgeben gezwungen.

Aber ich habe durchgehalten und mein improvisiertes Training durchgezogen!

An den folgenden Tagen war wenig Zeit für Sport, da die Uni in diesem Semester wirklich viel Zeit beansprucht und ich somit eigentlich täglich von neun bis mindestens 7 unterwegs bin. Dafür bin ich bisher sehr euphorisch, was mein neues Studium betrifft und das ist doch die Hauptsache.

Am Freitagmorgen hatte ich dann halb 9 meinen ersten Termin in meiner neuen Physiotherapepraxis. Und was soll ich sagen? Ich habe noch nie solch eine stilvoll eingerichtete Praxis gesehen (und ich habe ja ungefähr 4 Stück zum Vergleich) wie diese. Ich wurde herzlich empfangen und wir haben erst einmal eine „Bestandsaufnahme“ gemacht und geschaut, welche Körperteile noch vorhanden sind.
Okay, das war ein schlechter Scherz. Sie hat getestet, wie viel Kraft in welchem Bein ist und welche Belastungen und Bewegungen schwerfallen. Am Montag, wenn ich meinen nächsten Termin habe, werden wir im Turnraum die Therapie beginnen. Seid gespannt; ich bin es nämlich auch!

Am Samstag war ich dann nochmals im Fitnessstudio und habe mit einem Trainer meinen Trainingsplan zusammengestellt. Es wurde von vorne bis hinten auf meine MS eingegangen, es wurden unzählige Fragen gestellt, was ich kann und was nicht und dann wurde jedes einzelne Gerät mit mir zusammen getestet und eingestellt.

Trotz deiner Physiotherapie musst du mir versprechen, dass du zweimal die Woche deinen Trainingsplan hier durchziehst; ich mache dir extra einen relativ kurzen Plan.

Relativ kurz ist relativ. 50 Minuten Sport sind ungefähr 60 Minuten mehr, als ich eigentlich sonst gemacht habe. Aber von nichts kommt nichts.

Und da mein Trainer mir dann sagte, dass ich die kalorienreichste Mahlzeit des Tages direkt nach dem Training zu mir nehmen soll und ich eh noch kein Mittag gegessen hatte, gab es zur Belohnung einen Döner – vegetarisch natürlich!

Zweiundzwanzig

Wiedermal habe ich eine ganze Weile nicht von mir hören lassen.

Seitdem die Uni wieder begonnen hat (und das ist nicht einmal eine Woche her), bin ich nur unterwegs. In die Uni – zurück – in die Stadt – zurück – zum Freund auf Arbeit – zurück – und so weiter – und so fort.
Die Wege, die ich zurücklege(n muss) sind länger als die, die ich wahrscheinlich in den kompletten vergangenen 3 Monaten gelaufen bin. Aber das ist gut! Und irgendwie ist es zugleich befriedigend und erschreckend, wenn man Muskelkater in den Oberschenkeln hat – und zwar vom normalen Laufen.

Die Module und Inhalte im neuen Semester bzw. im neuen Studium sind (bisher) sehr interessant und spannend. Ich bin wirklich gespannt, wie lang meine Euphorie noch währt und ob ich zufrieden bleibe.

Mit dem Fitnessstudio hat es bisher noch nicht sooo gut geklappt. Anders gesagt: Ich habe es immer noch nicht geschafft, hinzugehen. Doch morgen Nachmittag treffe ich mich mit meinem besten Freund und wir gehen zusammen das erste Mal trainieren bzw. überhaupt erstmal das Studio kennenlernen. Und wo wir schon beim Thema Sport sind: Diese Woche Freitag beginnt auch meine Physiotherapie und ich bin wirklich gespannt, inwieweit sie meine Beine wieder hinbekommen. Ich merke deutlich, dass ich meinen Körper in den vergangenen Wochen vernachlässigt habe und muss somit mehre Pausen einlegen, als es eventuell vor 4 Monaten der Fall war. Aber ich bin optimistisch, dass sich das wieder einpegelt. Was bleibt denn auch sonst noch übrig neben dem Optimismus?

Wie ich gesehen habe, war die Besucheranzahl des Blogs am Mittwoch überproportional hoch. Und wie ihr euch denken könnt, hat der Titel dieses Eintrags etwas mit meinem Geburtstag zu tun.

Zweiundzwanzig.

Was soll ich großartig sagen? Ich habe zu diesem Anlass alle Freunde gesehen, die ich sehen wollte. Ob in der Uni, in Dessau oder bei uns in Leipzig. Meine bessere Hälfte war die ganze Zeit an meiner Seite, ich habe meine Familie gesehen und wurde von hinten bis vorne mit Glückwünschen und ernst gemeinten lieben Worten überschüttet. Ich hätte es mir fast nicht anders vorstellen können.

Fast.

Es war der erste Geburtstag mit MS. Mit meiner Bratwurst. Meiner. Sie gehört zu mir. Natürlich merke ich sie jeden Tag und falls ich sie mal vergesse, gibt sie mir einen kurzen Impuls, damit ich mich doch an sie erinnere. Verständlich; niemand möchte vergessen werden.
Doch an diesem Tag denkt man irgendwie besonders stark an alles, was man in diesem Jahr durchgemacht hat. Meinen letzten Geburtstag habe ich schließlich noch in dem Glauben gefeiert, dass alles mit mir okay sei. Dass ich gesund sei. Bis auf die tauben Beine. Doch mit der Hoffnung, dass das alles schon irgendwie und irgendwann von alleine verschwindet.

Gott, war ich naiv.

Zu diesem Geburtstag allerdings war die Gewissheit da, dass es nicht einfach von alleine verschwindet. Doch ob ich deswegen unendlich traurig bin und den Kopf in den Sand stecke? Ach bitte, ihr kennt mich doch.

Ich habe in den letzten Wochen viel von anderen Erkrankten gelesen, die darüber gesprochen haben, was die MS ihnen alles Positives gebracht hat und mich gefragt, wie es denn bei mir aussieht.
So ganz offensichtlich ist das natürlich nicht. Was sollte schon gut an einer Krankheit sein, die dazu führt, dass das Immunsystem den eigenen Körper angreift?

Ich glaube, wenn ich ganz stark und genau darüber nachdenke, wird mir klar, dass ich mehr Acht auf mich gebe. Und weniger auf die Meinung der Anderen (Mein Freund wird, wenn er das liest, die Augen verdrehen. Er weiß, dass das nicht immer der Fall ist und ich oft nicht einfach darüber hinwegsehen kann, wenn sich jemand Fremdes ein falsches Urteil über mich bildet.).
Ich habe mal, ich glaube es ist gar nicht allzu lange her, einen Beitrag darüber geschrieben, worüber ich mir alles keine Gedanken machen muss und sollte.

Auch mit dem stolzen Alter von 22 Jahren muss ich mich selbst oft daran erinnern, dass es okay ist, nicht so zu sein, wie es andere eventuell von einem verlangen.

Weil ich selber doch für mich mit am Wichtigsten sein sollte, oder?
Falls es arroganter klingt, als es gemeint war, tut es mir leid.

Aber gebt Acht auf euch. Und lasst euch nichts von anderen vorschreiben (Außer es ist euer Chef. Oder die Polizei. Oder das Gesetz. Aber ansonsten bitte nicht. Naja, doch. Oder es ist eure Mama. Die dürfen das, egal wie alt man ist.). Wir selbst und unser Wohlergehen sollte uns mehr am Herzen liegen als die Meinung anderer.

Entschuldigt diesen Text; er erscheint mit jetzt ein wenig zu theatralisch. Aber das ist schon okay, glaube ich.